Morgen, am 10. Jänner, endet die Begutachtungsfrist für die Mindestsicherung. Schon gestern wurden etliche Stellungnahmen veröffentlicht, heute Vormittag lädt die Österreichische Armutskonferenz zur Pressekonferenz. Mit an Bord der Chef der Diakonie, Martin Schenk, und Volksgehilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger.
Die geplanten Änderungen der Mindestsicherung "schaden Menschen in schwierigen Situationen und machen ihr Leben noch schwieriger". Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser warnte schon bei einer Pressekonferenz am Dienstag gemeinsam mit Experten der Diakonie aus den unterschiedlichen Arbeitsfeldern vor den negativen Auswirkungen der Regierungspläne.
"Almosenhaft und bevormundend"
"Mit der neuen Mindestsicherung ist die alte Sozialhilfe zurück, sie ist almosenhaft und bevormundend." Die neue Regelung sehe eine Deckelung mit Maximalbeträgen nach oben, aber keine Deckelung nach unten vor. Es gebe keine Minimalbeträge. Es sei kein Zufall, dass im neuen Gesetz nicht mehr von einer "bedarfsorientierten Mindestsicherung" die Rede sei, sondern nur mehr von Sozialhilfe, so Moser. Die Grundhaltung des Vorhabens der türkis-blauen Regierung laute: "Erweise dich als würdig und du bekommst etwas."
Die Diakonie forderte die Rücknahme der geplanten Staffelung der Kinderbeträge, wonach es für das erste Kind 216 Euro, für das zweite 130 und ab dem dritten Kind nur noch 43 Euro monatlich gibt. Auch der Arbeitsqualifizierungsbonus solle zurückgenommen werden, forderte Moser. Kritisch sahen die Experten auch die vielen Kannbestimmungen.
"Chancen von Kindern verbaut"
Besonders hart treffen die geplanten Kürzungen Familien mit mehreren Kindern. So berichtete Andrea Boxhofer vom Diakoniezentrum Spattstraße von einer alleinerziehenden Mutter von vier kleinen Kindern, die jetzt schon auf 50 Quadratmetern am finanziellen Limit lebe und Angst vor dem drohenden Kürzungen habe. "Wer jetzt die Chancen von Kindern verbaut, übersieht die langfristige Wirkung. Das kommt teuer für alle", warnte Boxhofer.
"Der vorliegende Entwurf zum Sozialhilfe-Grundgesetz trägt weniger zur Armutsbekämpfung und umso mehr zur Manifestierung von Armut bei. Besonders verletzliche Gruppen sind davon stark betroffen", analysierte Ulrike Knecht von der Heilsarmee. Sie befürchtet, dass Obdachlose künftig nicht die volle Leistung bekommen und gleichzeitig viele Menschen in die Obdachlosigkeit gedrängt werden. Vor allem die Sanktionen für Personen ohne österreichischem Pflichtschulabschluss und ohne Deutschkenntnisse sowie der Ausschluss von Straftätern von der Sozialhilfe würden Menschen in die Perspektivlosigkeit und damit in die Kriminalität und Obdachlosigkeit drängen, warnte sie.
"Mehr Armut, weniger Zusammenhalt"
Kritik an den geplanten Kürzungen der Mindestsicherung kamen anlässlich des Endes der Begutachtungsfrist auch von der Volkshilfe, Amnesty International und dem Integrationshaus. AI sprach von einem "rückschrittlichen Gesetz, das dem gesellschaftlichen Zusammenhalt nachhaltig schadet".
"Dieses Verarmungsgesetz ist ein Rückschritt für die Menschen in Österreich. Es wird dafür sorgen, dass es mehr Armut im Land gibt. Die alleinerziehende Mutter von drei Kindern, der an Krebs erkrankte Angestellte oder die Familie mit behindertem Kind - sie alle werden es künftig in Österreich sehr viel schwerer haben", warnte Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich.
Sämtliche der im geplanten Gesetz vorgesehenen Höchstsätze an Leistungen liegen unter der von der Statistik Austria errechneten Armutsgefährdungsschwelle in Österreich. Vor allem Menschen, die sich in sozialen Notlagen befinden, erhalten dadurch künftig keine adäquate Unterstützung, kritisierte Amnesty.
Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger erinnerte daran, "dass die Sozialhilfe das unterste Netz im Sozialstaat ist, ein Ausweichen auf andere Leistungen ist nicht möglich". Mehr als 35 Prozent der Bezieher der Mindestsicherung seien 2017 Kinder gewesen, in Zahlen über 80.000. Sie leiden schon jetzt unter schlechten Lebensbedingungen, dies werde mit der neuen Regelung massiv verstärkt.
"Massiver Rückschritt"
"In meinen Augen ist es höchst fahrlässig und kurzsichtig, Menschen in unserem Land, die aus welchen Gründen auch immer auf die letzte existenzielle Absicherung angewiesen sind, diese stark zu reduzieren oder gar den Zugang zu verunmöglichen. Damit wird kein einziges Problem gelöst, sondern viele neue Probleme geschaffen. Leidtragend sind die Menschen und vor allem ihre Kinder, die sich nur schlecht wehren können, die keine schicke Lobby hinter sich wissen", attestierte Katharina Stemberger, Vereinsvorsitzende des Integrationshauses.
Der vorliegende Entwurf stelle einen massiven Rückschritt in der Armutsbekämpfung dar und ziele darauf ab, Geflüchtete und Migranten im Bereich der Sozialhilfe gravierend schlechter zu stellen, so Stemberger.