Künftig soll es volle Mindestsicherung nur noch geben, wenn man ein gewisses Deutschniveau nachweisen kann; Sprachkurse für Asylwerber mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit werden eingeschränkt. Das könne zu langfristigen Integrationsproblemen führen, warnt Judith Kohlenberger von der WU Wien. Dass das AMS 2019 kein Extrabudget für Asylberechtigte bekommt, findet sie problematisch.
Die Zahl der Asylanträge ist zuletzt massiv zurückgegangen, das ist für Kohlenberger allerdings kein Argument für weniger Kursangebot. Für das Arbeitsmarktservice entscheidend seien jene, die ein Bleiberecht erhalten und dieser Bestand sei - wegen des Rückstaus bei den Asylanträgen aus den Jahren 2015, 2016 und 2017 - zumindest bis zum ersten Halbjahr des Jahres 2018 gestiegen. "Das AMS bekommt jetzt erst sukzessive die Personen aus den Asylverfahren und hätte damit gleichbleibende Mittel benötigt, wenn nicht sogar mehr", sagt Kohlenberger im Gespräch mit der APA.
An Mindestsicherung gekoppelt
Sie kritisiert, dass der Bezug der vollen Mindestsicherung künftig an ein gewisses Deutschniveau gekoppelt sein soll, es aber gleichzeitig weniger Sprachkurse gibt. Laut Integrationsjahrgesetz ist für die Finanzierung von Kursen der Bund verantwortlich: Bis zum Sprachniveau A1 (Grundkompetenzen) ist der Integrationsfonds zuständig, darüber das AMS. In der Vergangenheit habe zwar immer wieder die Zivilgesellschaft einen Teil der staatlichen Aufgaben in diesem Bereich übernommen. Es sei aber offen, ob und wie viele der wegfallenden Kurse dadurch abgefedert werden können.
"Angst ist schlechter Motivator"
Kohlenberger ist Mitarbeiterin am Institut für Sozialpolitik an der Wirtschaftsuniversität Wien und studierte Kulturwissenschaftlerin. Aus wissenschaftlicher Sicht kann sie der Koppelung von Mindestsicherung und Sprachfähigkeiten nichts abgewinnen: Man wisse aus der Bildungswissenschaft, dass Angst - in diesem Fall vor dem Verlust der Existenzsicherung - "ein schlechter Motivator fürs Lernen ist". Eine weitere Neuerung sieht vor, dass Asylwerber, denen mit hoher Wahrscheinlichkeit Bleiberecht zuerkannt werden wird, nur noch dann Sprachkurse besuchen dürfen, wenn sie aus Syrien stammen.
Kohlenberger warnt angesichts dieser Neuerungen vor einer langfristigen Demotivation der Geflüchteten. Eine Studie der Stanford University und der ETH Zürich habe etwa gezeigt, dass "alles, was in den ersten Monaten nach der Ankunft falsch läuft, einen disproportional negativen Effekt hat auf spätere Integrationsbemühungen" habe. Deutschland hätte sich etwa 40 Mio. Euro pro Jahr ersparen können, wenn Flüchtlinge schneller Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten hätten durch weniger Ausgaben für die Grundversorgung und frühere Steuerbeiträge.
"Auch gute Signale gesetzt"
"Ich weiß nicht, ob das eine Minderheitenmeinung ist, aber ich finde man hat in Österreich 2015 auch einiges richtig gemacht auf Bundes- und Länderebene. Nach einem anfänglichen Schock hat man gute Signale gesetzt, auch mit dem Integrationsjahrgesetz. Jetzt läuft man Gefahr, dass man die eigenen guten Strategien, die man entwickelt hat, untergräbt und damit Probleme generiert, die uns dann in einigen Jahrzehnten wieder einholen, so wie wir das bei der Gastarbeitergeneration erlebt haben", so Kohlenberger.
"Wir wissen etwa, dass unter migrantischen Gruppen die Bildungsvererbung noch stärker ist als unter Österreichern und es sehr schwierig ist, dass Neuankommende soziale Absicherung und sozialen Aufstieg schaffen. Und das wird dann teuer."