Es sollte ein Freudenfest werden: Die SPÖ-Frauenkonferenz am Tag vor dem Bundesparteitag ist üblicherweise eher eine interne Veranstaltung, in der frau sich bestärkt, dass es sie funktionärstechnisch noch gibt und man Anleihen vorwiegend in der Vergangenheit, bei den frauenpolitischen Errungenschaften von Parteigängerinnen wie Johanna Dohnal und Erbinnen nimmt.
Diesmal ist es anders. Diesmal schickt sich eine Frau an, die Führung der ganzen Partei zu übernehmen. Erstmals in der langen Geschichte der Sozialdemokratie.
"Mehr Beteiligung. Mehr Bewegung. Mehr Feminismus" ist das Jahresmotto der SPÖ-Frauen und es war das Motto der SPÖ-Bundesfrauenkonferenz. Gleichstellung und gleiche Chancen müssten endlich hergestellt werden, und zwar in gemeinsamer Anstrengung aller Frauen, über alle Partei- und Organisationsgrenzen hinweg.
"Wir sind Feministinnen"
"Ja, wir sind stolz darauf: Wir sind Feministinnen und das betonen wir auch!", formulierte Bundesgeschäftsführerin Andrea Brunner - neben Pamela Rendi-Wagner und der Frauenvorsitzenden Gabriele Heinisch-Hosek die dritte Frau an der Spitze der SPÖ. Als einziger Mann hält Thomas Droza im Chefbüro der Bundespartei die Stellung.
Der Wermutstropfen ist, dass an diesem Tag außerhalb des Sitzungssaales in Wels nicht von der Frauenpower der SPÖ, sondern von einem sexistischen Fauxpas im Tiroler Landtag gesprochen wird, von einem Mann, der demnächst zum Tiroler Landesparteichef gewählt werden soll.
Es ist nicht die überparteiliche Solidarität, die sich die SPÖ-Frauen an diesem Tag wünschen, sondern die Solidarität der Männer in ihrer Partei. Der Niessls, die Georg Dornauereine zweite Chance wünschen. Des Betroffenen selbst, dem es gelang, mit nur einem Nebensatz im Landtag - witzig gemeint und voll daneben - den Start der neuen Chefin und den fulminanten Neustart einer am Boden liegenden Partei zu verpatzen.
Ball liegt bei den Tirolern
Das Statut konnte man vorsichtshalber noch biegen - die Übung, wonach Parteichefs automatisch in den Bundesgremien sitzen, wird früher als geplant, nämlich gleich und nicht erst mit Wirkung der Wahl in die Gremien beim nächsten Bundesparteitag - abgeschafft. Dass Dornauer an die Spitze der Tiroler Partei gehoben wird - noch dazu als Nachfolger von Elisabeth Blanik, einer der wenigen Frauen, die es bisher an die Spitze geschafft hatten, können nur die Tiroler selbst verhindern.
Am 3. Dezember soll der Landesparteivorstand über Dornauers Zukunft entscheiden. Wie es aussieht, steht man in Tirol weiter hinter ihm - auch weil man sich von der ÖVP niemanden "herausschießen lassen" will. ÖVP-Sprecher Sebastian Kolland hatte die Debatte nämlich mit einem Tweet eine Woche nach dem Vorfall im Tiroler Landtag losgetreten.
"Keinen Millimeter zurückweichen"
Dornauer betonte, er habe sich zweimal bei der grünen Landesrat entschuldigt. (Diese weist allerdings darauf hin, dass er sich bei ihr persönlich noch nicht gemeldet habe.) Für Dornauer ist die Affäre nichts als ein "Störfeuer der Bundes-ÖVP". Er werde "keinen Millimeter zurückweichen".
"Als Kämpferinnen in der Frauenbewegung müssen wir sofort den Blick nach vorne richten, weil wir noch sehr viel vor uns haben und erkämpfen müssen - das schulden wir den Frauen hier in Österreich", betonte Rendi-Wagner vor den Frauen. Denn die Bundesregierung dränge "jeden Tag schon längst erkämpfte und sicher geglaubte Errungenschaften unserer Frauenbewegung Stück für Stück zurück".
Im Visier hat sie Türkis und Blau. Sie nützt die Gelegenheit für den Appell, "nicht still zu sitzen, wenn der Gewaltschutz abgebaut wird, wenn Kinderbetreuung unleistbar wird, wenn der 12-Stunden-Tag Frauen aus dem Alltagsleben drängt. Genau dann, müssen wir mehr denn je aufstehen und zeigen, dass wir dagegen sind", so Rendi-Wagner.
Sexismus geht gar nicht
Abseits der Bühne erregt man sich über den Funktionär in Tirol, einen Mann, der als Bürgermeister ein starkes Auftreten hat, dem viel zugetraut wurde auch für das Land, der auch durch starke Sprüche von sich reden gemacht und die Sozialdemokratie ins Scheinwerferlicht gerückt hat. Aber Sexismus geht gar nicht. Nicht privat und schon gar nicht im Landtag.
Sie habe sich das Video der Landtagssitzung angesehen und die Wortmeldung sei nicht zweideutig sondern "eindeutig" sexistisch. Daher erwarten sich die SPÖ-Frauen von der Tiroler Landesorganisation entsprechende Konsequenzen wegen dieses nicht tolerierbaren Verhalten, sagt Gabriele Heinisch Hosek.
Rendi-Wagner kann es nicht sagen, denn die Macht ist in dieser Frage nicht bei ihr.
Gerade von einem jungen Mann erwarte sie sich mehr Sensibilität, sagte Heinisch-Hosek. Die SPÖ-Frauen - und viele Männer in der SPÖ, die für die SPÖ und mit der SPÖ endlich den Turbo zünden möchten, - erwarten sich auch, dass Dornauer von sich aus den Weg frei macht für ein eine moderne SPÖ.
Retro-Familienbild, Retro-Frauenbild
"Wichtig, dass wir uns jetzt vernetzen" gegen abgehobene schwarz-blaue Regierung mit Retro-Familienbild", sagte Heinisch Hosek.
Ein Parteitag, der sich in einer Sexismusdebatte erschöpft, ein aufstrebender Funktionär, der die Zeichen der Zeit nicht erkennt, eine Parteivorsitzende die nur hoffen, nicht erzwingen kann, dass sich dem neuen Stil alle verpflichtet fühlen - das alles ist wohl nicht der Neustart, den man sich erträumt hat und auf den hingearbeitet wurde.
Für das Team Rendi-Wagner / Drozda ist es gleichzeitig eine der ersten Bewährungsproben. "Hat überhaupt einer mit Dornauer geredet", fragt sich ein gewöhnlich gut informierter Partei-Kiebitz.
Dem Kampf gegen das Retro-Familien der Bundesregierung hat man sich verschrieben. Der Feind im Kampf gegen ein Retro-Frauenbild liegt im eigenen Bett.
Claudia Gigler