Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am heutigen Sonntagabend den US-Investor George Soros zu einem Arbeitsgespräch im Bundeskanzleramt empfangen. Dabei sei es um die Ansiedlung der Central European University (CEU) in Österreich sowie allgemeine außen- und europapolitische Fragen gegangen, teilte ein Sprecher des Kanzlers der APA auf Anfrage mit.
Wie aus informierten Kreisen verlautete, sei die Offenheit Österreichs für eine Ansiedlung der CEU in Wien betont worden, weil es darum gehe, die Freiheit der Wissenschaft zu unterstützen. Kurz und Soros seien sich einig gewesen, dass der Brexit eine bedauerliche Entscheidung sei und ein Hard Brexit jedenfalls vermieden werden müsse. In der Frage der Migrationspolitik habe es "durchaus unterschiedliche Auffassungen" gegeben. Soros habe Österreich für das Engagement am Westbalkan gedankt.
Erzwungener Weggang aus Ungarn
Die von Soros gegründete CEU steht an ihrem Stammsitz Budapest unter massivem Druck und will Ungarn verlassen. Nach dem Beschluss eines entsprechenden Gesetzes über ausländische Universitäten hängt die Central European University in der Luft. Noch unter der vergangenen rot-schwarzen Regierung war der CEU eine Übersiedlung nach Wien angeboten worden. Bereits im Herbst 2019 soll der Forschungs- und Lehrbetrieb am Areal des Otto-Wagner-Spitals in Wien beginnen.
Soros will am Montag auch mit Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) über die Modalitäten der Akkreditierung der CEU in Österreich sprechen. Dabei sollen "technische Fragen" zur CEU besprochen werden, teilte eine Sprecherin Faßmanns der APA am Sonntagabend auf Anfrage mit. Die für die Akkreditierung zuständige österreichische Agentur AQ Austria rechne mit einem Akkreditierungsantrag in den nächsten Wochen, wobei das entsprechende Verfahren unabhängig vom Bildungsministerium laufe.
Faßmann und Soros würden am Montag auch gemeinsam an Feierlichkeiten zum 25. Jubiläum des "Vienna Open Medical Institute" teilnehmen, einer Einrichtung zum internationalen Wissensaustausch im Bereich Medizin, das unter anderem mit Zuwendungen des US-Milliardärs betrieben wird.
Orbáns größtes Feindbild
Für die rechtskonservative ungarische Regierung ist der Holocaust-Überlebende Soros eine Hassfigur, dem die Schuld an der Migrationskrise des Jahres 2015 umgehängt wird. Ihm wird vorgeworfen, einen eigenen "Plan" zur Ansiedlung von Migranten in Europa zu haben, wobei es sich nach Ansicht von Kritikern um eine Verschwörungstheorie mit antisemitischen Untertönen handelt. Auch FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus sagte im April, es gebe "stichhaltige Gerüchte", wonach Soros "gezielt Migrantenströme nach Europa" lenken würde.
Von ungarischen Medien wurde im September auch Kurz in die Nähe von Soros gerückt, nachdem er die Einleitung des EU-Rechtsstaatsverfahrens gegen Ungarn unterstützt hatte. "Spielt Soros mit Kurz seinen letzten Trumpf aus?" titelte damals die regierungsnahe Zeitung "Magyar Idök", die auch daran erinnerte, dass Kurz Mitglied des von Soros mitbegründeten "Europäischen Rates für Außenbeziehungen" (EFCR) ist. Dem Rat gehören 330 Mitglieder verschiedenster politischer Überzeugungen an, darunter 18 Regierungschefs und 27 Außenminister. Unter den zehn österreichischen Mitgliedern sind unter anderem Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel und Ex-Außenministerin Ursula Plassnik (beide ÖVP), die ehemalige Grüne EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek, der frühere Generalsekretär im Außenamt Albert Rohan sowie Erste-Bank-Chef Andreas Treichl.