Als soziale Hängematte für Arbeitsunwillige wird die Notstandshilfe von der türkis-blauen Bundesregierung diskreditiert. Seit fast einem halben Jahr wird von ÖVP und FPÖ gegen die Notstandshilfebezieher Stimmung gemacht, seit fast einem Jahr an einer "Reform" von Mindestsicherung und Notstandshilfe gebastelt.
Bis heute scheut sich die Regierung, offen zu legen, was tatsächlich geplant ist. Das, was bisher bekannt wurde, lässt bei Kennern des Sozialsystems die Alarmglocken schrillen. Laut einer internen Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) würde ein Drittel der Arbeitslosen keine Leistung mehr bekommen.
Es ist im Hintergrund insbesondere die ÖVP, unter dem Einfluss von Wirtschaft und Industriellenvereinigung sowie Thinktanks wie der Agenda Austria, die auf dem Zugriff des Staates auf das Vermögen von Arbeitslosen besteht. Zuletzt hieß es, die FPÖ sei weich gekocht, daraufhin wurde dies von FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Sozialministerin Beate Hartingerwieder dementiert. Morgen, Freitag tagt der Nationalrat. Im Zuge dieser Sondersitzung wird auch die Notstandshilfe ein Thema sein. Die Liste Pilz will einen Antrag auf Beibeihaltung einbringen und damit ÖVP und FPÖ zum Offenbarungseid zwingen.
Sie trifft der Zugriff schmerzhaft
Wen würde der Zugriff besonders schmerzhaft treffen? Nicht die arbeitslosen Asylberechtigten, wie es die Regierung immer andeutet, sondern jene Österreicherinnen und Österreicher, die unverschuldet in Not geraten: Alte, Kranke und auch jene Jungen, die von der Wirtschaft systemhaft in die Arbeitslosigkeit getrieben werden.
Ältere Arbeitslose und ihre Pension:
Arbeitslosigkeit im Alter ist ein Abstellgleis - Männer ab 50 und Frauen ab 45 haben es schwer, einen neuen Job zu finden. Derzeit sind sie, wenn es keine Angebote für sie gibt, über die Notstandshilfe abgesichert. Sie sind weiterhin auch pensionsversichert.
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld soll von einem auf zwei Jahre ausgeweitet werden (Voraussetzung: 10 Versicherungsjahre), danach sollen die Ansprüche aus der Versicherungsleistung allerdings enden. Bei langer Versicherungszeit (mindestens 15 Jahre) soll der Anspruch auf Arbeitslosengeld für über 50-Jährige erhalten bleiben. Allerdings: Diejenigen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, fallen in die Mindestsicherung und sammeln auch keine Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung mehr an.
Das bedeutet: Sie rutschen in die Altersarmut, und durch den Zugriff auf das Vermögen verlieren sie auch die bestehende Existenzsicherung. Außerdem müsste eine bestehende Pensionsversicherung vor Bezug der Mindestsicherung aufgelöst werden, weil das Guthaben zum Ersparten zählt, ebenso wie Bausparverträge, etc.
Langzeitkranke und ihre Existenz:
Lang andauernde Krankenstände, etwa in Folge einer Krebserkrankung, haben oft zur Folge, dass die Betroffenen gekündigt werden. Bisher waren sie, weil nicht arbeitsfähig, über die Notstandshilfe abgesichert. Fallen sie in die Mindestversicherung gilt für sie dasselbe wie oben beschrieben für ältere Arbeitslose: Sie verlieren ihre Existenz, weil sie nicht nur das Einkommen verlieren sondern vor Bezug der Mindestsicherung auch bestehendes Vermögen verwerten müssten.
Dazu kommt noch, dass die Zeit, in der Kranke Arbeitslosengeld beziehen können, von der Regierung verkürzt werden soll. Bisher hat sich die Dauer des Anspruchs um die Zeit der Krankheit verlängert. Künftig soll das nur noch für stationäre Aufenthalte gelten, nicht etwa für Krebspatienten, die monatelang ambulant in Behandlung sind.
Junge Arbeitslose am Bau oder im Tourismus:
Beschäftigte am Bau oder im Tourismus können es sich oft nicht aussuchen - sie werden von den Betrieben im Winter bzw. in der Nebensaison in die Arbeitslosigkeit gedrängt und danach wieder eingestellt. Fallen sie bis dorthin in die Mindestsicherung, müssen sie diese nach Wiedereinstellung von ihrem Gehalt zunächst einmal wieder zurückzahlen.
Behinderte:
Laut Wifo-Studie würden 48 Prozent der Arbeitslosen mit Behinderung (37.000 Menschen) künftig im Gegensatz zu bisher nach einer bestimmten Zeit keine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung mehr bekommen, weil sie überproportional lange für die Arbeitssuche brauchen. Sie bekämen dann kein Arbeitslosengeld, aber eben auch keine Notstandshilfe mehr.
77 Prozent wären Österreicher
Die Statistiken des Arbeitsmarktservices (AMS) zeigen, dass fast 80 Prozent der Notstandshilfe-Bezieher österreichische Staatsbürger sind und mehr als ein Drittel 50 Jahre und älter ist. Es sind vor allem sie, die die Abschaffung der Notstandshilfe treffen würde. 77 Prozent derer, die die Abschaffung treffen würde, sind laut Wifo Österreicher.
Was die Kritiker der geplanten Reform befürchten, ist dass viele Menschen unverschuldet in die Armut gedrängt werden und - so wie bei Hartz IV in Deutschland - gezwungen sind, Billigjobs anzunehmen. Böswillige unterstellen, dass genau das die Absicht von Einflüsterern der Regierung aus Kreisen der Wirtschaft sei.
Der Weg, der bisher verfolgt wurde, war, Langzeitarbeitlose durch eine aktive Arbeitsmarktpolitik zurück ins Erwerbsleben zu führen. Der erste Schritt zurück war die Streichung der Aktion 20.000.
Claudia Gigler