Das neue Ärztegesetz sorgt wegen einer Regelung für alternative Heilverfahren für Aufregung - so fürchtet etwa die Wirtschaftskammer um Kosmetiker, Heilmasseure und "Wohlfühlangebote" in Hotels. Auf Freude stieß in der Begutachtungsphase, die am heutigen Donnerstag endet, die Möglichkeit, dass Ärzte andere Ärzte anstellen können und dass es eine bessere Notarztausbildung geben soll.
Grund für die helle Aufregung ist die Neuformulierung im Entwurf, dass die Ausübung des ärztlichen Berufes jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit "einschließlich komplementär- und alternativmedizinischer Heilverfahren" umfasst. Der Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegeverband und das Österreichische Hebammengremium fordern eine Klarstellung, dass die Neuregelung bereits bestehende Kompetenzen von anderen gesetzlich geregelten Gesundheitsberufen unberührt lässt.
Auf die Barrikaden steigen Anbieter von Alternativmedizin wie der "Verband der Ganzheitlichen Naturheiltherapeuten Österreichs", die um ihr Brot fürchten. Man teile zwar das Anliegen, unprofessionelle Angebote zu verhindern, meinte beispielsweise die "Österreichische Gesellschaft für Osteopathie", allerdings bestehe nunmehr die Gefahr, dass die Anwendung der Osteopathie künftig Ärzten vorbehalten bleibe, während Anbieter, die eine "langjährige professionelle Osteopathie-Ausbildung" absolviert haben, davon künftig ausgeschlossen sein könnten.
"Übers Ziel hinausgeschossen"
Auch die Wirtschaftskammer schaltete sich ein: Die Intention des Gesetzgebers sei zwar grundsätzlich zu begrüßen, "allerdings schießt die gewählte Wortfolge über das Ziel hinaus". Denn unter komplementäre Heilverfahren fielen auch Hautanalysen oder Massagen, was zu den Kerntätigkeiten gewerblicher Berufe wie Kosmetikern, Fußpflegern und Masseuren falle, kritisiert die WKÖ. Auch die Beherbergungsbranche sowie Freizeit- und Sportbetriebe seien mit ihren "professionell aufgesetzten und stark nachgefragten Wohlfühlangeboten" stark betroffen. Dies führe zu Rechtsunsicherheit und im schlimmsten Fall dazu, dass bestimmte Leistungen zum Nachteil der Kunden nicht mehr angeboten werden können, warnt die WKÖ.
"Vehement abgelehnt" wird die geplante Neuregelung auch von der ARGE der Patientenanwälte - aber aus einer anderen Intention: Es sei zwar richtig, dass kranke Menschen vor unprofessionellen heilkundlichen Angeboten geschützt werden müssen, dies könne aber nicht dadurch erfolgen, dass solche unprofessionellen heilkundlichen Angebote nun nur mehr von Ärzten ausgeübt werden dürften. "Unwissenschaftliches Vorgehen, ja pseudomedizinischer Hokuspokus bleibt das, auch wenn es durch ÄrztInnen ausgeübt wird." Probleme mit der Formulierung im Gesetz hat jedenfalls auch das Justizministerium.
Verknappung an Notärzten wird entgegengewirkt
Gut kommt dagegen die neue Notarztausbildung an - in den Begutachtungsstellungnahmen wird einhellig begrüßt, dass diese grundsätzlich verbessert werden soll. So findet es das Rote Kreuz gut, dass Turnusärzte in Ausbildung zum Erwerb der notärztlichen Qualifikationen berechtigt sein sollen, da dadurch "einer möglichen, teilweise schon manifesten, Verknappung" an Notärzten entgegengewirkt werden könnte. Die von den Jungärzten geforderte erfolgreiche Absolvierung der Prüfung zum Arzt für Allgemeinmedizin bzw. die Absolvierung der Facharztprüfung sollte jedoch als Voraussetzung für die Teilnahme an Notarztdiensten entfallen, regt das Rote Kreuz wie viele andere Organisationen und Krankeninstitutionen an.
Der Rechnungshof empfahl in seiner Stellungnahme, die verlangten Kompetenzen im Rahmen einer Notarztausbildung auf ihre Vollständigkeit und Aktualität hin zu überprüfen und dabei etwa auch den Bereich der Neurologie mit zu berücksichtigen. Außerdem übt der RH Kritik daran, wie das Gesundheitsministerium die finanziellen Folgen dargestellt hat: Die angegebenen jährlichen Mehrkosten in der Höhe von 1,63 Mio. Euro für 2019 bis 2022 basieren auf einer Schätzung "eines jährlichen Bedarfs an neu zu qualifizierenden Notärztinnen bzw. Notärzten auf 375 Personen". "Mangels näherer Angaben ist jedoch nicht nachvollziehbar, welche Daten bzw. Annahmen dieser Schätzung zugrunde liegen", schreibt der RH.
Viel Zuspruch erntete in der Begutachtung die Anstellungsmöglichkeit für Ärzte in Ordinationen und Gruppenpraxen. Das Land Niederösterreich findet aber die festgelegte Beschränkung (in Ordinationen darf ein Arzt auf Vollzeitbasis angestellt werden, in Gruppenpraxen zwei Ärzte) "im Hinblick auf den im ländlichen Raum bzw. in den Primärversorgungseinheiten erhöhten Personalbedarf zu restriktiv". Vielmehr sollten in Einzelordinationen bis zu drei Ärzte (Vollzeitäquivalente) und in Gruppenpraxen bis zu fünf angestellt werden können.
Im Entwurf ist auch eine Neuregelung über den ärztlichen Beistand für Sterbende vorgesehen: Es sei bei Sterbenden auch zulässig, "im Rahmen palliativmedizinischer Indikationen Maßnahmen zu setzen, deren Nutzen zur Linderung schwerster Schmerzen und Qualen im Verhältnis zum Risiko einer Beschleunigung des Verlusts vitaler Lebensfunktionen überwiegt". Dies wird in den Stellungnahmen begrüßt - von den Patientenanwälten über die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin, die Österreichische Palliativ-Gesellschaft, die Barmherzigen Brüder und die Johanniter bis zum Seniorenrat.