Österreich zieht sich aus dem globalen Migrationspakt der UNO zurück. Diesen Beschluss hat die Bundesregierung am Mittwoch im Ministerrat gefasst. Das rechtlich nicht bindende Abkommen soll Grundsätze für den Umgang mit Flüchtlingen und Migranten festlegen und am 10. und 11. Dezember bei einer UNO-Konferenz in Marrakesch in Marokko angenommen werden.
Statt der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung können die österreichischen Bürger dem UNO-Migrationspakt "beitreten". Der symbolische Beitritt als Statement gegen den Ausstieg der Regierung aus dem "Globalen Pakt für sichere, geordnete und geregelte Migration" ist im Rahmen einer Online-Kampagne des gemeinnützigen Vereins #aufstehn möglich.
"Die österreichische Bundesregierung tritt aus dem UNO-Migrationspakt aus. Damit lehnt sie grundlegende Menschenrechte ab und stellt sich zu (Ungarns Premier Viktor) Orban und (US-Präsident Donald) Trump an den rechten Rand der Weltgemeinschaft", schreiben die Aktivisten auf ihrer Seite unter dem Titel "Wir unterzeichnen den Migrationspakt". Bis am späten Donnerstagvormittag hatten sich so knapp 31.000 Personen zu dem UNO-Pakt bekannt.
Man wolle den Ausstieg nicht hinnehmen und "konstruktive und nachhaltige Lösungen im Bereich Migration", lauten die zentralen Punkte der Online-Kampagne. #aufstehn will nach eigenen Angaben die zivilgesellschaftliche Partizipation fördern und mithilfe digitaler Technologien "Zugangsbarrieren zu politischen Prozessen abbauen und Mitbestimmung ermöglichen - damit die Themen, die vielen von uns schon lange unter den Fingernägeln brennen, endlich ins Licht der Öffentlichkeit und auf die politische Agenda kommen".
"Es gibt kein Recht auf Migration"
Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer hat am Donnerstag bei einer Gedenkfeier am Grazer Zentralfriedhof zum Rückzug Österreichs vom UNO-Migrationspakt Stellung genommen. Wie ein Sprecher mitteilte, sagte der ÖVP-Politiker: "Es ist gut, wenn die Einwanderung national geregelt werden kann."
Schützenhöfer fände es sinnvoll, wenn sich die EU bezüglich der Einwanderung als nationale Materie auf eine einvernehmliche Vorgehensweise einigen könne. Man müsse zwischen Asyl und Migration unterscheiden. "Asyl ist und bleibt ein Menschenrecht, aber es gibt kein Recht auf Migration."
Internationale Reaktionen
"Bild" (Berlin):
"Anfang Dezember wollen rund 190 Staaten (darunter auch Deutschland) in Marokko den 'UN-Migrationspakt' unterzeichnen. Doch nach den USA, Australien und Ungarn verweigert jetzt auch Österreich dem Abkommen seine Zustimmung - angeblich, weil er Österreichs 'Souveränität' in Frage stelle und eine 'Vermischung von legaler und illegaler Migration' fördere. Derartige Verschwörungstheorien kursieren seit Monaten im Internet. Die AfD behauptet sogar, der Pakt solle 'mehrere Millionen Menschen nach Europa und Deutschland umsiedeln'. Stimmt das? NEIN!"
"Financial Times" (London):
"Der Schritt Österreichs unterstreicht die Gräben, die in Europa seit 2015 bestehen, und verankert (das Land, Anm.) fest im Lager jener, die sich gegen internationale Abkommen wehren, die in ihren Augen Migrationsströme fördern. In dieser Gruppe befindet sich auch die vom nationalistischen Premierminister Viktor Orban angeführte ungarische Regierung."
"Politico.eu" (Brüssel) schreibt unter dem Titel "Österreich gegen die Welt":
"So einsam . . . aber unter Freunden: Österreich beabsichtigt die Migration ganz alleine anzugehen. Kanzler Sebastian Kurz zieht sein Land aus dem globalen Migrationspakt zurück, um die 'nationale Souveränität zu verteidigen', wie er dem Sender ORF sagte. Österreich wird den Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration (Globaler Pakt für sichere, geordnete und geregelte Migration), dem ursprünglich alle 193 UNO-Mitglieder 2016 zustimmten (...), nicht unterzeichnen. Österreich beherbergt rund 20 UNO-Organisationen.
(...) Europas extreme Rechte, einschließlich die deutsche AfD (und natürlich der eigene Koalitionspartner FPÖ) zollten dem Schritt von Kurz Beifall, zurückzuschlagen gegen eine angebliche Verschwörung, die Millionen Migranten nach Europa bringen will. Ist da etwas Wahres dran? Lesen Sie es selbst und seien Sie versichert: 'Der Global Compact bekräftigt das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst festzulegen sowie ihr Vorrecht, die Migration innerhalb ihrer eigenen Rechtshoheit zu steuern, im Einklang mit internationalem Recht', wie es im Text heißt.
Globale Diplomatie, österreichischer Stil: Die Prioritäten der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft beinhalten natürlich Maßnahmen dagegen, dass Migration überhaupt stattfindet, beschönigend als Migrationsmanagement bezeichnet. Aber als - mit Verlaub - eher kleines Land im Einklang sein mit dem Rest der Welt - darunter Länder, wo Menschen herkommen, die nach Europa ziehen - hinsichtlich gemeinsamer Zielsetzungen, um die Frage anzupacken? Oder gar eine 'fakten-basierte Politik' verfolgen, wie der Text die Länder auffordert? Oh Gott, nein."
Il Giornale (Mailand):
"Nach Donald Trump und Viktor Orban zieht sich auch Österreich vom UNO-Migrantenpakt zurück, nach dem Motto 'Migration ist kein Menschenrecht'. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz wandelt somit auf den Spuren Ungarns. Außenminister Peter Szijjarto, hatte den UNO-Pakt als 'extremistisch' und 'unvernünftig' eingestuft. Auf derselben Linie behauptet Kurz jetzt, dass Einwanderung kein Menschenrecht ist."
Affaritaliani.it (Rom):
"Historischer Bruch des österreichischen Bundeskanzlers Kurz in Sachen Migrationspakt. Dieser Beschluss könnte eine Kettenreaktion auslösen. Vom Pakt haben sich bereits Ungarn und die USA zurückgezogen."