Zusammen mit der neu gegründeten Kommission für Provenienzforschung wurde vor 20 Jahren ein Prozedere geschaffen, das Rückgaben von den Nazis enteigneter Kunstgegenstände ermöglichte. "Österreich ist nach wie vor weltweit das einzige Land, in dem die Kunstrückgabe gesetzlich normiert ist - und findet dafür auch internationale Anerkennung", zieht Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der bildenden Künste Wien und stellvertretende Vorsitzende des Kunstrückgabebeirats, eine Zwischenbilanz. "20 Jahre Kunstrückgabegesetz hat zu 350 Empfehlungen des Kunstrückgabebeirats geführt, über 30.000 Objekte von der Goldenen Adele bis zu Kraftfahrzeugen wurden zurückgegeben und ... (k)ein Ende in Sicht, wie der im Dezember erscheinende achte Band der Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung heißt."
Anlassfall war die Beschlagnahme von Schiele-Gemäden
Das Kunstrückgabegesetz war eine direkte Folge der im Jänner 1998 nach einer Ausstellung von der New Yorker Staatsanwaltschaft veranlassten Beschlagnahme von zwei Schiele-Gemälden der in eine Stiftung eingebrachten Sammlung Leopold. Während "Tote Stadt III" 1999 wieder freigegeben wurde, kam es rund um das "Bildnis Wally" zu einem jahrelangen Rechtsstreit, der erst 2010 mit einem Vergleich beendet wurde. Nach den weltweiten Schlagzeilen rund um die Beschlagnahmung wies die damalige Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) die Bundesmuseen an, in ihren Sammlungen nach weiteren möglicherweise arisierten Kunstwerken zu suchen.
Im Herbst 1998 schuf das Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen (BGBI I Nr. 181/1998) die rechtliche Grundlage. In der NS-Zeit enteignete Kunstwerke konnten so an die ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger zurückgegeben werden. Der Kunstrückgabebeirat, der aufgrund von der Kommission erarbeiteten Dossiers Empfehlungen an den zuständigen Bundesminister ausspricht, trat am 20. Jänner 1999 zum ersten Mal zusammen.
Die 90. Beiratssitzung fand am 15. Oktober statt - und endete mit einer Rückgabeempfehlung sowie einer Empfehlung auf Nicht-Rückgabe (wie zuvor etwa auch bei prominenten Fällen wie der "Malkunst" von Vermeer oder dem "Beethovenfries" von Gustav Klimt). Bisher wurde jeder Empfehlung Folge geleistet. Der prominenteste Rückgabefall lief allerdings über eine Schiedsgerichtsentscheidung: Nach einer Entscheidung des Rückgabebeirats 1999, fünf im Belvedere befindlichen Klimt-Gemälde aus der Sammlung Bloch-Bauer (darunter die "Goldene Adele") nicht zu restituieren, brachten die Erben zunächst Klagen in Wien und später bei mehreren Instanzen in den USA ein. Letztlich einigte man sich auf ein Schiedsgericht. Dieses entschied am 15. Jänner 2006 für eine Rückgabe.
Vorbildwirkung
Das Kunstrückgabegesetz hatte Vorbildwirkung: Einige Bundesländer und Gemeinden beschlossen vergleichbare Verfahren im Umgang mit unrechtmäßigen Erwerbungen. International sorgte die im Dezember 1998 abgehaltene "Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust" für einen großen Fortschritt. Man verständigte sich auf elf Grundsätze zum Umgang mit Kunstwerken, die von den Nazis beschlagnahmt und bisher nicht zurückgegeben worden waren. Im Mittelpunkt stand eine für alle Beteiligten "gerechte und faire Lösung". Ein Übereinkommen, an dem sich auch private Vergleiche, wie es sie auch in Österreich seither immer wieder gegeben hat, orientieren.
Mit der Novelle des Kunstrückgabegesetzes 2009 wurde das Feld erweitert: nicht nur Kunstwerke, sondern auch "sonstiges bewegliches Kulturgut" wurde damit erfasst - und zwar nicht nur solches in den Museen, sondern auch in unmittelbarem Bundesbesitz. Und davon auch jene Gegenstände, die zwischen 1933 und 1938 außerhalb Österreichs im Deutschen Reich vom NS-Regime entzogen wurden. Noch entscheidender: Seit der Novelle können auch solche Kunstwerke zurückgegeben werden, die Österreich den ursprünglichen Besitzern nach dem Krieg zu einem marktkonformen Preis abgekauft hat - sofern dieser Kauf unter Druck stattgefunden hat, etwa im Zusammenhang mit einer Ausfuhrgenehmigung des Bundesdenkmalamts für andere Kunstwerke, ein Gegengeschäft, das in der Nachkriegszeit gängige Praxis war.
Der gegenwärtige Stand der Provenienzforschung in den Bundesmuseen ist einer am 9. Oktober durch Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) erfolgten Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Liste Pilz zu entnehmen. "Die Arbeit der Kommission für Provenienzforschung ist in vielen Bereichen sehr weit fortgeschritten, kann aber niemals als abgeschlossen betrachtet werden", heißt es dazu. Demnach werden "vorläufige Gesamtberichte" aus den einzelnen Museen ab Herbst 2018 dem Kunstrückgabebeirat übergeben.
Ein solcher zur Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste soll im Jahr 2019 finalisiert werden. In der Albertina sollen bis Jahresende 2018 vorläufige Gesamtberichte zu den Handzeichnungen, bis Jahresende 2020 zu Druckgrafik und Fotosammlung sowie zu den 1963 erfolgten Zuweisungen aus dem Bestand des Linzer Kunstmuseums vorliegen. Im Kunsthistorischen Museum wurden vorläufige Gesamtberichte bisher für die Antikensammlung und die Kunstkammer erstellt. Für die Sammlung alter Musikinstrumente und die Gemäldegalerie sind diese für das Jahr 2019, für die Wagenburg und das Monturdepot für das Jahr 2020 vorgesehen. Im Theatermuseum ist laut Anfragebeantwortung ein vorläufiger Abschluss der Provenienzforschung "heute nicht prognostizierbar".
Während im MAK der Bericht ebenfalls bis 2020 erwartet wird, liegen Berichte aus dem mumok und dem Belvedere bereits vor. Im Naturhistorischen Museum, wo die Provenienzforschung neu konzipiert und ein bis 2020 laufendes Projekt aufgesetzt wurde, konnte für die Mineralogisch-Petrographische Abteilung ein vorläufiger Gesamtbericht vorgelegt werden. Recherchen der Österreichischen Nationalbibliothek wurden bereits 2003 abgeschlossen, eine Nachrecherche zu "damals nicht auflösbaren Namen" soll mit Ende 2018 abgeschlossen sein.
Am detailliertesten geht die Anfragebeantwortung auf das Technische Museum Wien ein: Die derzeit laufende Generalinventur der Bestände werde 2025 abgeschlossen sein. Bisher seien 97.549 Objekte, Bücher und Archivalien auf ihre Herkunft überprüft worden. "Davon ist der Erwerb von 60.378 Objekten (etwa 61,8 Prozent) 'unbedenklich'. Der Erwerb von 36.897 Objekte (etwa 37,8 Prozent) muss als 'offen' klassifiziert werden, da über die Besitzverhältnisse dieser Objekte während der NS-Zeit - nach heutigem Wissensstand - keine definitive Aussage getroffen werden kann. In 16 Fällen (274 Objekte, Bücher und Archivalien) wurde die Rückgabe empfohlen."