Julia Herr wird am 28. November 26 Jahre alt, sie kommt aus dem Burgenland und ist seit 2014 Chefin der Sozialistischen Jugend. Pamela Rendi-Wagner ist die erste Chefin an der Spitze der Gesamtpartei ist, Julia Herr ist die erste Vorsitzende der SJ.
Noch unter der Ägide von Christian Kern wurde sie für den kommenden Parteitag als eine der Parteiobfrau-Stellvertreterinnen nominiert. Trotz eines sehr erfolgreichen Vorzugstimmenwahlkampfes schaffte sie den Einzug ins Parlament im Zuge der letzten Nationalratswahl nicht. Der Einzug ins EU-Parlament ist ihr mit dem sechsten Listenplatz sicher.
Vor drei Wochen haben wir mit ihr und Josef Cap über die Zukunft der SPÖ diskutiert. Hier ein Auszug aus ihren Antworten in diesem Gespräch:
Was ist für Sie das Alleinstellungsmerkmal von Pamela Rendi-Wagner?
Sie ist die erste Parteichefin - dazu hat der Kampf vieler Frauen beigetragen. Ich sage immer: Wir stehen auf den Schultern von Riesinnen. Aber Frau sein allein ist keine Kategorie. Ich wünsche mir jetzt, dass sich für die Frauen in diesem Land einsetzt. Wir haben eine Frauen-zurück-an-den-Herd-Stimmung unter dieser Bundesregierung, da kann man als SPÖ sehr gut eine Alternative zeichnen. Wir sind bereit für die erste Kanzlerin!
Innerhalb der SPÖ ist mit Ihrem kräftigen Zutun eine Öffnung entstanden. Wie weit kann sich denn eine Partei öffnen, ohne ihre Identität preiszugeben?
Eine Öffnung gefährdet nicht unsere Grundwerte. Die leben dann, wenn wir sie vor uns her tragen. Wenn junge Menschen wieder hineinfließen in die Partei, wird die Diskussion lebendiger, sie bringen neue Energien. Wir dürfen keine Angst haben vor unseren Mitgliedern, vor einer kritischen Diskussion.
Was kann eine Partei wie die SPÖ den Jungen geben?
Ständig heißt es, wir müssen den Gürtel enger schnallen, wir haben über unsere Verhältnisse gelebt – die Jungen können noch gar nicht über ihre Verhältnisse gelebt haben! Dass alle jungen Leute Angst vor der Zukunft haben, dass sie die Frage, ob sie glauben, dass es ihnen einmal besser gehen wird als ihnen Eltern, mit Nein beantworten, das ist der Blick, den meine Generation in die Zukunft hat. Was Pamela Rendi-Wagner dem entgegenstellen kann, ist die Hoffnung auf die Zukunft. Das ist auch das Geheimnis des Erfolges von Jeremy Corbyn in Großbritannien, gerade auch bei der Jugend. Denn das Gegenteil von Angst ist nicht Sicherheit, sondern die Hoffnung.
Was kann die Hackler von Simmering überzeugen?
Was wichtig ist, dass man nicht probiert, den Leuten nach dem Mund zu reden. wir müssen wieder dort hinkommen, dass es in Ordnung ist, eine andere Meinung zu vertreten, auch wenn die gerade nicht so populär ist. Das bringt langfristig Respekt. Leute wie Bernie Sanders in den USA sind deshalb so erfolgreich, wie sie ihr Leben lang dieselbe Meinung vertreten haben, auch wenn es gegen das eigene Parteiestablishment ging.
Was ist das Hauptproblem der österreichischen Sozialdemokratie?
Die Menschen trauen der Sozialdemokratie die Konzepte zu. Woran es krankt, ist die Glaubwürdigkeit. Wir müssen an unserer eigenen Glaubwürdigkeit arbeiten und dabei ehrlich zu uns selbst sein, zugeben, dass wir uns vielleicht ein bisschen zu sehr "verbonzt" haben in den letzten Jahrzehnten. Die Sozialdemokratie war nie die Partei der Mächtigen, der Reichen, der Banken, darauf müssen wir wieder mehr stolz sein, am Stammtisch argumentieren.
Peter Pelinka hat den Befund getroffen, die SPÖ von heute ist die ÖVP von gestern, ein einziger Intrigantenstadel. Gleichklang ohne Gleichschaltung – wie geht das?
Es geht darum, dass wir die Deutungshoheit über soziale Fragen in Österreich zurückgewinnen. Da ist es möglich, auch gleichgeschaltet zu arbeiten als Partei. Schuld an den Dissonanzen der vergangenen Jahre ist, dass wir in uns in den letzten Jahren zu wenig mit unserer eigenen Ideologie beschäftigt haben. Wir müssen uns darauf besinnen, wofür die Sozialdemokratie eigentlich steht. Wir haben ja das Problem, dass unsere eigenen Leute oft keine Antworten haben auf die Ansagen der Regierung. Arbeitszeitflexibilisierung zum Beispiel: Alle Menschen wollen flexibel arbeiten, aber weniger gezahlt kriegen für die Überstunden, das will keiner, da war dann auch sofort der Protest da. Man darf nicht auf die Schlagwörter hereinfallen.
Gibt es Solidarität noch in einer Welt von lauter Egos?
Ja, natürlich. Die Idee der Solidarität ist ja nicht aus einem "Gutmenschentum" heraus entstanden, sondern im Wissen darum, dass es den Menschen damit besser geht. Die Idee ist ja, dass sich viele Menschen zusammenschließen, weil sie wissen, mein Problem hat der andere auch. Wenn wir uns z’sammhau'n auf ein Packl, dann sind wir stärker, dann können wir eine gerechtere Verteilung erreichen. Das ist die Idee der Sozialdemokratie.
Hier die gesamte Diskussion mit Julia Herr und Josef Cap zum Nachsehen:
Claudia Gigler