Es war nur ein kurzer Moment in dem stundenlangen Verhör von Martin W., dem ehemaligen Leiter der Abteilung Nachrichtendienst im BVT, durch den parlamentarischen Untersuchungsausschuss am Dienstag. Peter Pilz wollte Details über eine von W. angedeutete parteipolitische Einflussnahme auf die BVT-Ermittlungen rund um den SPÖ-nahen Anwalt Gabriel Lansky erfahren: „Welche Partei wollte Ergebnisse gegen wen?“, herrschte Pilz den Zeugen durch das Mikrofon an. W. lehnte sich im Sessel zurück, hob ein wenig hilflos die Hände und deutete mit einem überraschten Ausdruck im Gesicht an: „Ja, eh“ - als ob die Frage wäre, ob der Himmel blau ist, als ob irgendjemand im Raum nicht wüsste, um welche Parteien es ginge, um ÖVP und SPÖ und deren Vertraute.
Es ist eine Szene, die in vielerlei Weise ikonisch für den Themenkomplex um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung - und um die Ermittlungen gegen manche Beamte dort - stehen kann. Viele, viele Vorgänge, bei denen sich der gelernte Österreicher seinen Teil denken mag, wer dabei welche Absicht verfolgt haben könnte - aber klar belegt davon ist bisher wenig.
Viele Indizien, keine "smoking gun"
Zweieinhalb Monate nachdem der U-Ausschuss seine Befragungen aufgenommen hat, sind zwar viele Details klarer geworden, viele plastische Aussagen aufgetaucht - aber eine „smoking gun“, ein Beweis, dass hier politischer Missbrauch getätigt wurde, steht bisher aus. Im Wesentlichen stehen einander noch immer zwei Erzählungen gegenüber.
Die eine wird vor allem von FPÖ-Politikern erzählt: Beamte des BVT seien mit Hinweisen beim Kabinett von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vorstellig geworden, dass es im BVT eine Fülle von Missständen gebe. Unter anderem sollen Spitzenvertreter des Amtes und des Ministeriums mit geheimen Daten äußerst freigiebig umgegangen sein, diese auch an Medien gespielt haben. Außerdem soll es durch ÖVP-nahe Kreise im Ministerium - seit Ernst Strassers Antritt 2000 unter ÖVP-Führung - immer wieder politische Interventionen bei Ermittlungen gegeben haben.
Kickls Generalsekretär Peter Goldgruber habe dann, als braver Beamter, der nur das Interesse habe, die Sache aufzuklären, diese Beamten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltsschaft empfohlen. Staatsanwältin Ursula Schmudermayer habe dann auf Basis dieser Aussagen unter anderem die Hausdurchsuchung im BVT am 28. Februar angeordnet, die vom Oberlandesgericht Wien später als rechtswidrig aufgehoben wurde. Grundsätzlich seien die Ermittlungen aber der massiven Vorwürfe gegen das BVT wegen berechtigt gewesen.
Zwei Erzählungen
Die andere Erzählung, verbreitet zumindest von Teilen der Opposition, lässt sich mit dem plakativen Begriff zusammenfassen, den Pilz für den ersten Teil der Untersuchung gegeben hat: „Der Sturm auf das BVT“.
Demnach hätte die FPÖ nach ihrer Machtübernahme sofort das Ziel gehabt, in den Verfassungsschutz einzudringen - wo auch das Extremismusreferat angesiedelt ist, das etwa die Ermittlungen gegen ideologisch der FPÖ am nächsten stehende Rechtsextreme führt.
Die „Trägerrakete“ für dieses Eindringen wäre ein anonymes Konvolut wilder Vorwürfe gegen BVT-Beamte gewesen, das 2017 die Ermittlungen rund um das Bundesamt eingeleitet hatte. Dieses Konvolut hätte Kickls Kabinett mit Zeugen „aufgefettet“, um besagte Hausdurchsuchung zu erzielen - für die gezielt eine Polizeieinheit ausgewählt worden war, die unter Leitung eines FPÖ-Lokalpolitikers stand - und bei der Razzia selbst äußerst großzügig mit dem Durchsuchungsauftrag umging.
"Ein bisserl viele Zufälle"
Eindeutige Beweise für eine der beiden Varianten - oder, was auch denkbar ist, dass beide zumindest teilweise zutreffen - gibt es bisher nicht, wohl aber eine Reihe von Indizien: Zeugen, die aus unterschiedlichen Gründen zum Kabinett kamen; das „Konvolut“, das ein Unbekannter einem der Zeugen in den Briefkasten seines Hauses in Wiener Neustadt geschmissen hat; die Freundin einer ÖVP-Ministerin, die überraschenderweise eine Analystenstelle in der Nachrichtendienst-Abteilung bekommen hat.
ÖVP-Fraktionsführer Werner Amon sprach gestern von „ein bisserl vielen Zufällen“. Es wartet jedenfalls noch viel Arbeit auf den Ausschuss.
Georg Renner