Ein Jahr nach seinem Wahlsieg will ÖVP-Chef Sebastian Kurz heute vor seinen Anhängern im Platinum am Wiener Donaukanal in einer Grundsatzrede Bilanz ziehen und ein paar neue Pflöcke einschlagen. Neben bekannten Projekten wie die milliardenschwere Steuerentlastung für mittlere und untere Einkommen ab 2020 oder die Digitalisierungsoffensive im Klassenzimmer (Tablets, WLAN) wird Kurz die Schaffung von 3000 neuen Ausbildungsplätzen für Programmierer ankündigen. Auch sollen die politischen Zielvorgaben des AMS geändert werden, um die Saisonnier-Lücke in den Tourismushochburgen im Westen Österreichs sowie in der Landwirtschaft zu schließen.
Neuland betritt der ÖVP-Chef im Pflegebereich. Nach Informationen der Kleinen Zeitung sollen die beiden Regierungskoordinatoren Gernot Blümel und Norbert Hofer bis Jahresende ein Pflegekonzept erstellen. Dem Vernehmen nach geht der Vorstoß über die aktuellen Probleme durch den Wegfall des Regresses weit hinaus. Laut Redemanuskript sei „die Pflege in Österreich nicht zufriedenstellend gesichert“.
Wenig überraschend wird der ÖVP-Chef in seiner 30-minütigen Rede den neuen Stil in der Koalition (Ende von Streit und Blockadepolitik) sowie die türkisen Zielvorgaben (Ende der Schuldenpolitik, Entlastung der Menschen, Bildungsreform, Zuwanderungsstopp im Sozialsystem) hervorkehren. In Abgrenzung zur Schüssel'schen Strategie will Kurz „Österreich wieder an die Spitze bringen“, allerdings „nicht in irgendwelchen Rankings“, sondern "in den Empfindungen der Menschen".
Während die Flüchtlingsfrage nur am Rande angesprochen wird, will Kurz ganz bewusst ein Bekenntnis zum liberalen Rechtsstaat und den Grundfreiheiten ablegen - und so einen Kontrapunkt zum Vorwurf der Orbanisierung setzen. Solange er Kanzler sei, werde er "nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa mit vollem Einsatz für Demokratie und den Rechtsstaat kämpfen".