Nach dem gestrigen Urteil gegen die grüne Ex-Abgeordnete Sigrid Maurer dreht sich eine der häufigsten Fragen um die "journalistische Sorgfaltspflicht", die Maurer laut dem Urteil nicht eingehalten hat und auch deswegen der üblen Nachrede schuldig gesprochen worden ist.
- Wie kann es sein, dass Maurer übler Nachrede schuldig gesprochen wurde, obwohl sie nur eine Nachricht veröffentlicht hat, die selbst nicht strafbar war?
Üble Nachrede nach § 111 Strafgesetzbuch bedeutet nicht nur, dass man nicht behaupten darf, ein anderer hätte eine Straftat begangen. Es reicht schon, jemandem sittenwidriges oder "unehrenhaftes" Verhalten nachzusagen. Klassisches Beispiel: Ehebruch ist in Österreich (seit 1977) nicht mehr strafbar - trotzdem kann es üble Nachrede sein, jemandem öffentlich nachzusagen, er betrüge seine Frau.
- Aber was ist, wenn es stimmt?
Es gibt zwei Fälle, in denen die üble Nachrede straffrei bleibt. Der eine ist, wenn man beweisen kann, dass es stimmt, was man schreibt - der sogenannte Wahrheitsbeweis nach Absatz 3 des Paragraphen 111: "Der Täter ist nicht zu bestrafen, wenn die Behauptung als wahr erwiesen wird." In Maurers Verfahren hat dem Richter nicht als Beweis gereicht, dass die Nachricht vom Account des Wirten geschickt wurde, um ihm nachsagen zu können, er hätte sie geschickt. Der Wirt hatte ja behauptet, jemand anderer habe in seiner Abwesenheit seinen Computer und Facebook-Account benutzt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es kann sein, dass das Oberlandesgericht die Beweislage anders würdigt.
- Und was ist mit der journalistischen Sorgfaltspflicht?
Die zweite Ausnahme, in der üble Nachrede nicht strafbar ist, steht im § 29 Mediengesetz: Wenn an der Veröffentlichung "überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit" bestanden hat, muss man den behaupteten Sachverhalt nicht zweifelsfrei beweisen können - es reicht, wenn man bei der Überprüfung, ob es stimmen könnte, die "gebotene journalistischen Sorgfalt" walten hat lassen. Das heißt in aller Regel vor allem: jemanden, über den man Übles behauptet, nach seinem Standpunkt zu fragen und den ebenfalls mitzuveröffentlichen.
Hier die Erklärung des - auch für Mediensachen zuständigen - Mitglieds des Verwaltungsgerichtshofes Hans-Peter Lehofer:
- Aber gilt diese Sorgfaltspflicht nicht nur für Journalisten?
Nein. Der Name ist doppelt verwirrend: einerseits ist die Bestimmung des § 29 Mediengesetz keine allgemeine Pflicht, sondern ein Privileg, mit dem man der Strafbarkeit entgehen kann. Andererseits kommt dieses Privileg nicht nur Journalisten zugute, sondern jedem "Medieninhaber". Und Medieninhaber nach § 1 Mediengesetz ist so ziemlich jeder, der öffentlich publiziert, etwa auch jemand, der auf seinem Facebook-Profil schreibt.
- Das heißt, für Accounts auf den sozialen Medien gelten dieselben Regeln wie für Journalisten?
Im Medienstrafrecht: ja. Wie Medienanwalt und Verfassungsrichter Michael Ramigestern in der ZiB 2 ausgeführt hat, unterliegt jeder, der etwa ein Profil auf Facebook oder Twitter betreibt, den Grenzen des Medienstrafrechts.
Das ist grundsätzlich auch durchaus berechtigt: Wenn etwa auf Facebook öffentlich üble Gerüchte über jemanden verbreitet werden (bleiben wir beim Beispiel: xy hat seine Frau betrogen), kann das durchaus mehr Leser erreichen als ein Artikel in einer Zeitung.
Georg Renner