In der SPÖ kehrt keine Ruhe ein. Vor allem die Wiener SPÖ und die steirische Landesorganisation fremdeln weiter mit dem personellen Umbau an der Parteispitze. "Da kommt keine Jubelstimmung auf, nicht nur bei mir", meinte etwa der Wiener SPÖ-Chef Michael Ludwig in einem Interview mit der Gratiszeitung "Heute" (Donnerstagausgabe).
Im Gespräch mit dem "Kurier" sagte Ludwig: "Es macht Sinn, dass man sich nicht nur eine Person an der Spitze überlegt, sondern ein Team. Es kann nicht so sein, dass einige Wenige alles bestimmen."
Möglicherweise kommt es doch noch zu einer Teamlösung an der Spitze. Pamela Rendi-Wagner hatte vorerst ja darauf bestanden, künftig nicht nur Parteiobfrau sondern auch gleichzeitig Chefin des Parlamentsklubs zu sein, was insbesondere die Wiener - der geschäftsführende Klubobmann Andreas Schieder soll weichen - wenig erfreute.
Aus der Steiermark hagelte es Kritik an der Ablöse von Bundesgeschäftsführer Max Lercher.
Die Aufregung veranlasste Lercher schließlich dazu, die Partei zur Geschlossenheit aufzurufen. "Wir haben eine großartige Vorsitzende und eine Chefin sucht sich selbst ihr Team. (...) Das ist für mich kein Grund zur Verbitterung und es sollte auch für euch keiner sein. Denn Verbitterung schadet unserer Sache. Sie sät Zwietracht und macht unsere Herzen klein." "Was wir jetzt brauchen ist Geschlossenheit und Zusammenhalt, brennende Herzen und kühle Köpfe - mehr denn je", schrieb Lercher Donnerstagnachmittag auf Facebook.
Kommentar
Der steirische Landesparteigeschäftsführer Oliver Wieser erklärte, auch die steirische Partei stehe zu 100 Prozent hinter der neuen Parteivoristzenden Pamela Rendi-Wagner. Aber: "Was für uns auch wichtig ist: dass der Wiener Bürgermeister und unser Landesparteivorsitzender Michael Schickhofer bei wichtigen Entscheidungen künftig eingebunden sind."
Schickhofer selbst bekräftigte im Gespräch mit der Kleinen Zeitung: "Rendi-Wagner übernimmt eine gut aufgestellte Partei, sogar das Thema Migration wurde gut aufgelöst. Die jetzige Personaldiskussion entstand ohne Not. Einen Persilschein gibt es nicht. Selbstverständlich erwarten der Wiener Bürgermeister und ich sowie auch alle anderen Landesparteivorsitzenden, dass wichtige Entscheidungen mit uns abgesprochen werden."
Bei der gemeinsamen Klausur am 6. und 7. Oktober werde es ausreichend Gelegenheit geben, die künftige Form der Zusammenarbeit zu besprechen.
Starke Worte
Starke Worte fand die steirische Landtagsabgeordnete Michaela Grubesa, eine jener Steirererinnen, die im Bundesparteivorstand gegen das Personalpaket der designierten SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner gestimmt haben:
"Man hätte sich ein politisches Statement und Visionen für die Zukunft der Partei und ein Danke gewünscht, keine Anekdoten darübe , ob der neue Parteigeschäftsführer ein "Bobo" sei und wie alt oder jung er sich fühle: "Mit Verlaub, Thomas: Du BIST ein BOBO!!!!" und weiter: "Aber hey, manche sind große Menschen, manche sind Menschen aus der großen Stadt."
Der neue SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda wollte die harsche steirische Kritik an seiner Nominierung am Donnerstag nicht kommentieren.
In der steirischen SPÖ herrscht vor allem Unmut über die Ablöse des aus der Steiermark kommenden Bundesgeschäftsführers Max Lercher durch den SPÖ-Abgeordneten und früheren Minister und SPÖ-Regierungskoordinator Thomas Drozda, der in einem ersten Interview mit der "Zeit im Bild 2" angekündigt hatte, dass man das "Profil" der SPÖ schärfen werde.
Während der steirische Landeschef Michael Schickhofer die Kritik an dieser Entscheidung öffentlich in höfliche Worte verpackte, wurde die steirische Landtagsabgeordnete Michaela Grubesa auf Facebook deutlicher.
"Shakespeare in fünf Sprachen"
Diese Entscheidung habe etliche Genossinnen und Genossen irritiert, schreibt Grubesa reflektierend. "Mit großem Unverständnis blicken wir nun in eine ursprünglich progressive, junge Löwelstraße und sehen dort... den Inneren Bezirk." Es sei bitter, dass Lercher, der auch "einfache Menschen" außerhalb der Wiener Ringstraße repräsentiert habe, gehen muss. "Stattdessen arbeitet dort ab heute jemand, der sicher jedes große Shakespeare Zitat in fünf verschiedenen Sprachen auswendig kennt. Ein Akademiker im Anzug. Warum er einen Steirer in Jeans und Hoodie, der den Portier mit 'meine Verehrung' grüßt, ersetzen soll, kann der Großteil der Partei weder verstehen noch akzeptieren", so die steirische SPÖ-Abgeordnete.
"Dein Alter ist uns Powidl. Gewünscht hätten wir uns ein politisches Statement und Visionen für die Zukunft der Partei. Vielmehr hätten wir uns gewünscht, dass jemand die Geschäfte unserer Partei leitet, mit dem wir gern auch im Fußballstadion ein paar Bier kippen oder Eisstockschießen gehen würden. Das Mindeste aber wäre gewesen, in einer Pressekonferenz nach so einer Vorstandssitzung D A N K E zu sagen."
"Unter Lercher lief es plötzlich"
Ein eindrucksvolles Danke kam dafür von der Sektion 8 in Wien, der linken Ecke der Partei: Eva Maltschnig, Vorsitzende der Sektion 8, formulierte in einem Eintrag auf Blog Acht: Man sei Lercher gegenüber anfangs kritisch gewesen, habe sich auch entsprechend geäußert. Doch was folgt sei nicht der übliche "Parteianschiss" gewissen, sondern das Gespräch.
Danach habe sie Lercher aus der Ferne beobachtet, "und es waren ein paar Sachen merklich anders, seit er die Zügel in der Hand hatte. Die Parteizentrale, früher ein dysfunktionaler Haufen, schien plötzlich in die Gänge zu kommen. ... Alles, was die SPÖ-Bundesgeschäftsstelle bisher Jahre sogar Jahrzehnte nicht auf die Reihe bekommen hatte, lief plötzlich vom Stapel.
"Keine Clique half ihm"
"Dahinter stand ein wie besessen arbeitender Lercher, der seine Kolleginnen und Kollegen offenbar so motivieren konnte, dass alles gelang. Keine Clique half ihm dabei, Konsens für seine Ideen herzustellen, Max gehörte zu keinem 'Lager". Mit seiner Leistung und seiner integren Arbeit ebnete er sich und seinen Projekten den Weg. Alle verstanden, dass es ihm ernst war. Er fühlte sich durch Kritik nicht persönlich beleidigt, sondern nahm sie als Ansporn, besser zu werden. Dass er nicht den Eindruck eines Linksintellektuellen vermittelt hat, wusste er und hat das auch taktisch eingesetzt. Sprachliche Sensibilität scherte ihn kaum, was ihm in der Polit-Bubble wenig Fans einbrachte. Gleichzeitig war ihm diese Bubble erfrischend egal. Das darf man nicht mit einem Fehlen politischer Visionen oder Antiintellektualismus verwechseln."
Mehr Inhalt gewünscht
Lercher selbst war zunächst auf Tauchstation gegangen. Der Wiener SPÖ Chef erklärte im Interview mit "Heute" auf die Frage, wie Pamela Rendi-Wagner an der Basis ankomme: "Jeder muss sich in der Praxis beweisen. Sie ist sehr sympathisch, telegen und kompetent, jetzt muss sie auch auf die Leute zugehen." Die Wiener SPÖ sei als "loyale Organisation" bekannt, "aber wir wollen auch etwas". Er meine damit "inhaltliche Dinge", das werde er Rendi-Wagner aber persönlich sagen, so Ludwig.