Die überzogene Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusabwehr (BVT) hat die Arbeit von Österreichs Sicherheitsbehörden nach innen hin destabilisiert sowie FPÖ-Innenminister Herbert Kickl und sein Team nach außen hin massiver Kritik ausgesetzt.
Dass er sich daraufhin auf vermeintlich Wesentliches konzentriert und eine Pferdestaffel ins Leben, sich damit publikumswirksam für die Fotografen inszeniert hat, hat Kickl in den Augen der Berichterstatter der Lächerlichkeit preisgegeben.
Doch ein Kickl gibt nicht auf. Oder zumindest sein Team: Mit dem jüngsten Mail an die Mitarbeiter in den Polizeidienststellen hat der Innenminister angeblich ja überhaupt nichts zu tun. Es entstamme der Feder von Pressesprecher Christoph Pölzl, hieß es in einer ersten Reaktion. Kickl (FPÖ) sei "weder Auftraggeber noch Empfänger dieser Mitteilung", auch nicht sein Kabinett,
Die "kritischen Medien"
In diesem Mail wird die Kommunikation mit "kritischen Medien" (genannt werden Kurier, Standard und Falter) beschränkt, und genau diesen Medien wurde das Mail daraufhin prompt zugespielt, worauf sie es veröffentlichten: Den Polizeipressestellen wird darin "vorgeschlagen", die Kommunikation mit diesen kritischen Medien auf das "Nötigste" zu beschränken und willfährige Medien dafür mit Spezialinformationen zu versorgen.
Darüber hinaus legt Kickl den Polizeipressestellen nahe, verstärkt über Sexualdelikte zu informieren. Auch die Staatsbürgerschaft und der Aufenthaltsstatus von Verdächtigen sollten in Aussendungen demnach explizit genannt werden.
Damit hat Kickl endgültig Grenzen überschritten, die in einem Rechtsstaat nicht überschritten werden dürfen.
Ja: Kritische Berichterstattung ist für die, über die geschrieben wird, nicht immer angenehm. aber Nein: Es ist nicht angebracht, sich der "Belästigung" zu entziehen, indem man versucht, diese Berichterstattung zu unterbinden.
Bisher gab es diese Versuche nie von Regierungsparteien, sondern nur von der einstigen Oppositionspartei FPÖ, die, noch unter Jörg Haider, missliebige Journalisten auslud von Parteiveranstaltungen. Auch das hielt nicht lang - Haider erkannte schnell, dass er sich damit auch die übrigen Journalisten zu Feinden machte.
Das Wesen der "vierten Gewalt"
Denn: Kritische Berichterstattung ist unverzichtbar in einer Demokratie. Die Medien werden nicht deshalb die "vierte Gewalt" genannt, weil sie ungerechtfertigt Macht für sich in Anspruch nehmen und ausüben, sondern weil die kritische Berichterstattung, der Druck der Öffentlichkeit, jeden Politiker und jede Institution, über die geschrieben wird, dazu veranlassen, sich selbst kritisch zu hinterfragen. Fehler werden sichtbar und können korrigiert werden. Oder sie passieren gar nicht erst.
Berichterstattung mit gesteuerter oder gar bezahlter Öffentlichkeitsarbeit zu verwechseln, zu meinen, das eine wäre ersetzbar durch das andere, ist ein Kardinalfehler, der einer Regierungspartei nicht passieren darf.
"Maulkorberlässe" gab es auch unter früheren Innenministern, aber da ging es nie darum, Berichterstattung zu unterbinden sondern über Pressestellen zu kanalisieren. Und auch die hielten nie lang.
Der zweite unverzeihliche Fehltritt: Eine Regierung, der Staat, sind dazu angehalten, eine neutrale Position gegenüber den Bürgern einzunehmen. Alles andere geht in Richtung Totalitarismus und Diktatur.
Der Erlass des Justizministers
Das Justizministerium hatte in einem seit 2014 gültigen Medienerlass festgelegt, dass auf die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe oder persönliche Merkmale nur hingewiesen werden solle, wenn dies für das Verständnis des berichteten Vorgangs unbedingt notwendig ist.
Der Grund dafür ist nicht, dass Informationen "unterdrückt" werden sollen, wie die FPÖ über ihr nahestehende einschlägige Medien wie Unzensuriert.at immer wieder verbreitet, sondern dass der Blick auf Täter (und Opfer) nicht durch Vorurteile getrübt werden soll, dass nicht aufgrund der Verfehlungen einzelner gegen eine ganze Gruppe gehetzt werden darf.
Dass die FPÖ als Oppositionspartei sich genau diese Strategie zu eigen machte, um auf der Welle der Zustimmung derer zu reiten, denen man ein gemeinsames Feindbild gab, war abzulehnen. Dass es erlaubt ist, auch solche Positionen zu vertreten und dass viele die FPÖ genau deshalb wählten, gehört zum Wesen der Demokratie.
Dass die Freiheitlichen als nunmehrige Regierungspartei von Staats wegen Feindbilder ausrufen und Vorurteile schüren lassen, darf sich der Rest Österreichs nicht gefallen lassen.
Die Verantwortung der Regierung
Bundeskanzler Sebastian Kurz und seine ÖVP sind gefordert (deren "Aufpasserin" im Innenministerium, Staatssekretärin Karoline Edtstadler für die Einhaltung der Grund- und Menschenrechte zuständig ist), Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist gefordert (der nicht ohne Grund auf einer Trennung von Justiz- und Innenministerium beharrt hat), die Journalisten sind gefordert, die nicht zulassen dürfen, dass die einen gegen die anderen ausgespielt werden.
Und der Innenminister muss Farbe bekennen: Entweder er steht zu dieser "Empfehlung", oder er muss sich von seinem Pressesprecher trennen und die Botschaft korrigieren.
Claudia Gigler