Die Kür von Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) zur SPÖ-Chefin ist ein Wagnis. Denn sie verkörpert exakt den gleichen Typus wie ihr Vorgänger Christian Kern, mit dem die Sozialdemokraten ja nicht gerade von Erfolg zu Erfolg geeilt waren. Zudem ist sie noch nicht einmal zwei Jahre Parteimitglied und in der Partei nicht gerade optimal vernetzt.
Dass die Wahl letztlich auf sie fällt, hängt wohl damit zusammen, dass man ein Gegenbild zu Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) schaffen wollte - und das ist aus Sicht der Sozialdemokraten mit Rendi-Wagner eine moderne beruflich auch außerhalb der Politik erfolgreiche Frau in mittleren Jahren.
Allzu viel gezeigt hat die attraktive Wienerin seit ihrem Eintritt in die Politik freilich noch nicht. Ins Detail ging sie nur in der Gesundheitspolitik, ansonsten war außer vorbereiteten Floskeln nicht viel von ihr zu hören.
Doch einerseits hat man in der SPÖ nicht viel Auswahl, andererseits ist Rendi-Wagner rhetorisch versiert und hat noch Zeit zu lernen, bis es wieder an die Wahlurnen geht. Ob sie tatsächlich parteiintern das Standing hat, sich gegen Gewerkschaft und mächtige Landesorganisationen durchzusetzen, wenn es inhaltlich hart auf hart kommt, ist aus heutiger Sicht fraglich.
Dies gilt umso mehr, als Rendi-Wagner nicht zufällig vom "Bobo-Flügel" in der Partei hofiert wird, Gutverdienern in idealen Wohnlagen mit rot-grünen Tendenzen - also nicht unbedingt die Klientel, die Gewerkschaften, burgenländische SPÖ und der gerade dominante Teil der Wiener Sozialdemokraten anpeilen.
Aber Rendi-Wagner dürfte ziemlich lernfähig sein. Als Kern sie zur Frauenministerin machte, reagierte die Frauenorganisation angesichts des fehlenden Stallgeruchs zunächst skeptisch. Innerhalb kürzester Zeit war man von der Ärztin ganz angetan, umso mehr, als rasch bemerkt wurde, dass sich Rendi nicht nur inhaltlich auf Linie befand, sondern sich auch entschlossen in Straßenwahlkämpfe schmeißen konnte und wollte.
Als Gesundheitsministerin hatte sie, die davor eng mit ihrer verstorbenen Vorgängerin Sabine Oberhauser (SPÖ) zusammengearbeitet hatte, zu wenig Zeit, um echte Glanzlichter zu setzen. Als Gesundheitssprecherin im Parlament verschaffte sie sich vor allem in der Diskussion um das aufgehobene Rauchverbot in der Gastronomie Gehör. Ansonsten wurde die telegene Polit-Aufsteigerin von der SPÖ gerne in TV-Diskussionen zu allen möglichen Themen gesandt. Die für eine Parteichefin nötige inhaltliche Breite wird sich die emsige 47-Jährige freilich noch erarbeiten müssen.
"Joy"und "Pam"
"Pam", wie sie in der Partei genannt wird, heißt Rendi-Wagner eigentlich erst mit zweitem Vornamen. Ihre angeblich hippie-affinen Eltern hatten ihr nämlich den Vornamen Joy verpasst, sicher kein leichtes Schicksal für ein Mädchen, das in den 1970er-Jahren in Wien-Simmering aufgewachsen ist. Doch sie dürfte es gut verkraftet haben. Nach der Schule begann sie ein Medizin-Studium und schlug rasch eine Muster-Karriere ein.
Nach der Promotion an der Medizinischen Universität Wien 1996 machte sie ihre Facharztausbildung in London. Sie ist Expertin für Impf-Prävention, Reisemedizin und Infektionsepidemiologie und arbeitete über zehn Jahre wissenschaftlich am Institut für Tropenmedizin der Medizinischen Uni Wien. Danach verbrachte die Mutter von zwei Töchtern einige Jahre in Israel, wo sie als Gastprofessorin an der Universität Tel Aviv wirkte. Ihr Mann Michael Rendi war dort österreichischer Botschafter.
Gut vernetzt
Nach der Berufung seiner Frau ins Gesundheitsministerium nach Wien, wo sie bis zur Generaldirektorin für öffentliche Gesundheit aufstieg, kehrte auch Michael Rendi nach Österreich zurück, wo er als Kabinettschef von Kanzleramtsminister Thomas Drozda anheuerte. Diese Verflechtungen werden wohl Rendi-Wagners Avancement zur Gesundheitsministerin nicht gestört haben, wobei sie aufgrund ihrer Expertise und ihres professionellen Handlings bei so mancher Gesundheitskrise ohnehin als Wunschkandidatin galt.
Die ist sie jetzt nicht für jedermann in der Partei, auch wenn sich jetzt alle hinter der künftigen Chefin versammeln. In den vergangenen Tagen konnte man von Spitzenfunktionären abseits der Mikrofone schon einmal Aussagen wie "Kern in weiblich" hören. Dass sie politisch erfolgreicher als ihr Mentor sein kann, wird sie so manchem Skeptiker in den kommenden Jahren zu beweisen haben.