In der Hofburg ist der Akt, so der Stand am Sonntagabend, immer noch nicht eingetroffen. Am Mittwoch hat der Ministerrat die umstrittene Personalie beschlossen, das letzte Wort bei der Ernennung des FPÖ-nahen Juristen Hubert Keyl zum Richter am Bundesverwaltungsgericht hat der Bundespräsident. Im Regelfall werden solche Bestellungen einfach durchgewunken, im Fall Keyl, heißt es auf Anfrage der Kleine Zeitung, werde Alexander Van der Bellen den Akt „sehr sorgfältig prüfen.“ Mehr ist der Präsidentschaftskanzlei nicht zu entlocken. Am Freitag Abend fliegt Van der Bellen zur UN-Generalversammlung nach New York, ob eine Entscheidung vorher möglich ist, bleibt offen.

Keyl war ein enger Mitarbeiter des Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf und soll bei einer Feier der schlagenden Burschenschaft Silesia in einem Wiener Rotlichtlokal in eine Prügelaffäre verwickelt gewesen sein. Einem Bericht des "profil" zufolge soll auch der bekannte Neonazi Gottfried Küssel dabei aufgetaucht sein. Keyls Anwalt Michael Rami bekräftige Samstagnachts in einer Aussendung, Keyl habe „keine gemeinsame politische Vergangenheit“ mit Küssel und stehe auch nicht im Kontakt mit diesem. Küssel sitzt seit 2013 wegen Wiederbetätigung  hinter Gittern.

"Hexenjagd"

Am Wochenende ist ein Leserbrief aufgetaucht, in dem Keyl gegen die Seligsprechung des bekannten katholischen NS-Deserteurs Franz Jägerstätter, der durch das Fallbeil hingerichtet wurde, polemisiert hatte. „Wer seine Kameraden im Feld im Stich lässt, ist ein Verräter. Einen Verräter soll man verurteilen, nicht seligsprechen.“

FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenegger empörte sich am Sonntag in einer Aussendung über die „Hexenjagd“ und erinnerte daran, dass ein unabhängiger Personalsenat am Verwaltungsgericht Keyl als besten Kandidaten vorgeschlagen habe. Darauf bezieht sich auch Justizminister Josef Moser, der formell die Personalie in den Ministerrat am Mittwoch eingebracht hatte. Im Justizministerium verlautet dazu, dass man zweimal beim Personalsenat nachgefragt habe, ob die Vorwürfe stimmen. Diese seien allerdings entkräftet worden. In Regierungskreisen wird süffisant darauf verwiesen, dass dem besagten Gremium, das Keyl vorgeschlagen hat, der SPÖ-nahe ehemalige Vranitzky-Sekretär Harald Perl vorsteht.

Wie Van der Bellen entscheidet, ist offen. Präsidentenberater Ludwig Adamovich verweist im Gespräch mit der Kleinen Zeitung auf den „großen politischen Ermessensspielraum“ des Staatsoberhaupts. Dass der Bundespräsident ein Veto gegen eine Bestellung einlegt, kam, so Adamovich, in der Zweiten Republik ganz selten vor. Im Regelfall werden solche Fragen „vorher applaniert“.

Krone-Kolumnist verhindert

Bekanntlich hat Van der Bellen eine mögliche Ministerbestellung von Harald Vilimsky und  Johann Gudenus im Vorfeld der Regierungsbildung vereitelt. Verhindert wurde von van der Bellen auch die von der FPÖ erwogene Bestellung des Krone-Kolumnisten Tassilo Wallentin zum Verfassungsrichter, die Personalie wurde rechtzeitig zurückgezogen.

Thomas Klesitil hatte in seiner Amtszeit zahlreiche Direktorenbestellungen, die sich an der üblichen politischen Farbenlehre orientiert hatten, torpediert. Franz Jonas hatte ein Veto gegen einen Kandidaten für den Präsidentensessel am Verwaltungsgerichtshof eingelegt.