Aus Sicht der Regierung ist es das größte Reformprojekt der Legislaturperiode, das über die Jahre hinweg eine Milliarde Euro zum Segen der Patienten ins Gesundheitssystem spült. Aus der Sicht von Kritikern ist das Vorhaben eine beinharte Umfärbungskation, um die Macht der SPÖ-dominierten Arbeitnehmer in den Sozialversicherungen zu brechen und der FPÖ den Einstieg ins Postenkarussell zu eröffnen: Heute um neun Uhr früh verkündete die Koalition den Durchbruch bei der Fusion der Krankenkassen. Kanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Heinz-Christian Strache, FPÖ-Sozialministerin Beate Hartiniger-Klein, ÖVP-Klubobmann August Wöginger traten vor die Medien. im Dezember soll das Gesetz im Parlament beschlossen werden, heute startet die Begutachtungsfrist, der Beschluss im Ministerrat ist für den 24. Oktober geplant.

Von 21 auf fünf reduziert

Die 21 Sozialversicherungen werden mit 1. Jänner 2020 auf fünf reduziert, ab April 2019 läuft die Übergangszeit. Die neun Gebietskrankenkassen werden zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) fusioniert, die regionalen Kassenchefs werden zu Landesleitern degradiert. Übrig bleiben eine Kasse für Selbstständige (Gewerbe und Bauern), eine Kasse für den Öffentlichen Dienst, die Unfall- sowie die Pensionsversicherung.

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Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger ist Geschichte, Alexander Biach, muss Ende 2019 seine Sachen packen. Künftig gibt es einen Dachverband.

Die Regierung begründet den Schritt mit gewaltigen Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro. 2021 würden 200 Millionen, 2022 300 Millionen, 2023 500 Millionen eingespart werden, die Mittel würden für neue Kassenstellen aufgewendet und in die geplante Leistungsharmonisierung quer durch Österreich fließen. Bekanntlich gleichen die Leistungen der Gebietskrankenkassen einem bundesweiten Fleckerlteppich, damit soll künftig Schluss sein. Die ÖGK besitzt künftig die Budget-, Personal- und Verhandlungshoheit.


Die Details der Einsparungseffekte bleibt man vorerst schuldig. Nur soviel wird gesagt: Dreiviertel der Funktionären werden eingespart (480 statt 2000), die Gremien werden um die Hälfte (50 statt 90) reduziert. Der Abbau in der Verwaltung erfolge ausschließlich über natürliche Abgänge, in den nächsten Jahr komme es zur Pensionierungswelle. Die Koalition gibt allen 19.000 Bediensteten eine im Gesetz festgeschriebene Jobgarantie.

Machtpolitisch ist Folgendes vorgesehen: Der neue, 12-köpfige Verwaltungsrat der ÖGK wird paritätisch mit Vertretern der ÖVP-nahen Arbeitnehmer und der SPÖ-nahen Arbeitgeber besetzt, der Vorsitz rotiert halbjährig. Beim Vorsitz im zweiten Gremium, der 42-köpfigen Hauptversammlung (bestehend aus den 12 Mitgliedern des Verwaltungsrates, 12 neu ernannten Mitgliedern sowie den Leitern und den Stellvertretern der neun Landesstellen), kommen jene Parteien zum Zug kommen, die nicht im Verwaltungsrat das Sagen haben, also FPÖ oder auch Grüne.

Auch beim neu geschaffenen Dachverband über alle fünf Kasse rotiert der Vorsitz zwischen den Chefs der fünf verbleibenden Sozialversicherungen. Kammerchef Harald Mahrer gab gestern bekannt, dass er den ihm zustehenden Chefsessel nicht einnehmen werde.