Die Abschiebung von Lehrlingen sorgt weiter für Diskussionen: Mehrere Wirtschaftskammern aus den Bundesländern lehnen diese Vorgangsweise ab und verweisen auf den Fachkräftemangel. Aus der Bundesregierung erklärte Integrationsministerin Karin Kneissl (FPÖ) allerdings zuletzt, dass keine Gesetzesänderung angedacht wird.
Auch der neue WKÖ-Präsident Harald Mahrer (ÖVP) ist noch auf Regierungslinie und verwies in einem "Kurier"-Interview vor wenigen Tagen auf die geltende Rechtslage. Asylwerber in Lehre müssten demnach genauso behandelt werden wie jeder andere mit einem negativen Asylbescheid. Fachkräfte-Zuwanderung und Asyl seien außerdem zwei unterschiedliche Themen.
Mahrer gerät allerdings zunehmend unter Druck. In der Steiermark gibt es einen einstimmigen Beschluss des Wirtschaftsparlamentes für ein Bleiberecht für die jungen Asylwerber in Lehre. Wirtschaftskammerdirektor Karl-Heinz Dernoscheg verweist auf die Notwendigkeit eines geordneten Zuzuges qualifizierter Arbeitskräfte wegen des Facharbeitermangels. Dernoscheg spricht sich dagegen aus, Lehrlinge in Ausbildung zurückzuschicken, obwohl Österreichs Wirtschaft sie dringend braucht: "Wer wäre im übrigen qualifizierter, als jemand, den wir selber ausgebildet haben?"
Auch der Präsident der Kärntner Wirtschaftskammer, Jürgen Mandl, hält es "aus ethischen, aber auch praktischen Überlegungen" für angebracht, den bisherigen juristischen Prozess zu überprüfen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln. Es sei weder menschlich vertretbar noch ökonomisch klug, ausgerechnet einige der bestausgebildeten, engagiertesten und integrationswilligsten jungen Zuwanderer wieder nachhause zu schicken.
"Den Willen unter Beweis gestellt"
Mandl: "Diese jungen Menschen haben durch ihre erfolgreiche Suche nach einem Lehrplatz und durch den Umstand, dass sie sich aus Sicht der ausbildenden Unternehmen offenbar bewähren, eindrücklich unter Beweis gestellt, dass sie an unserer Gesellschaft Interesse und ihren Anteil leisten wollen. Das sollte man im Rahmen der rechtlichen Beurteilung durchaus berücksichtigen."
Denn eines ist für Mandl völlig klar: "Wir werden aufgrund der Bevölkerungsentwicklung in Österreich und in Europa Zuwanderung brauchen, um bestehen zu können. Und wir sollten sehr genau darauf achten, wer zu uns kommt und wer bei uns bleibt, damit wir auch in Jahrzehnten unsere hohen sozialen Standards halten können."
Die Vorarlberger Wirtschaftskammer spricht sich ebenfalls dafür aus, dass jugendliche Asylwerber eine begonnene Lehre in einem Mangelberuf fertig machen können. Man halte es für "wenig sinnvoll", junge Flüchtlinge während der Ausbildung abzuschieben, sagt Direktor Christoph Jenny. Auch Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hatte sich im Landtag für einen Verbleib ausgesprochen.
Win-win: für die Betriebe und für die Jugendlichen
"Es wäre wesentlich vorteilhafter, wenn sie ihre Lehre zumindest fertig machen dürften. Das wäre eine Win-win-Situation. Betriebe müssten nicht eine Ausbildung abbrechen und die Jugendlichen hätten zumindest etwas, was sie in ihre Länder mitnehmen könnten", so Jenny. Das deutsche Modell "3 plus 2", das vorsieht, dass Asylwerber nach dem Lehrabschluss noch automatisch zwei weitere Jahre bleiben dürfen, ist für die Vorarlberger Kammer "durchaus vernünftig". Auf die Frage, wie realistisch er eine Umsetzung einschätze, erklärte Jenny: "Die Hoffnung ist nicht sehr groß, obwohl es ja von allen Seiten Initiativen gibt, jugendliche Asylwerber zu integrieren", dabei "würden wir sie brauchen, gerade in Mangelberufen".
Humanitäres Bleiberecht oder Rot-Weiß-Rot-Card
Möglich wäre, ein humanitäres Bleiberecht auszusprechen oder eine Rot-Weiß-Rot-Card zu vergeben. "Da sollte man der Bundesregierung alle Spielräume offen lassen, Hauptsache man erreicht inhaltlich und menschlich das Ziel", erklärte der Wirtschaftskammerdirektor.
Vorarlbergs Landeshauptmann Wallner hatte sich bereits im Juni in der Aktuellen Stunde im Vorarlberger Landtag dafür eingesetzt, dass Asylwerber ihre Ausbildung in einem Mangelberuf in Österreich fertig machen dürfen. "Wenn er ordentlich integriert ist, Deutsch lernt und sich an die ausgemachten Werte hält, ist es nicht in Ordnung, zu sagen, brich die Ausbildung ab und ab nach Hause", so Wallner. Sollte zu Ausbildungsschluss keine Aufenthaltserlaubnis vorliegen, sei ein Zurückschicken ins Heimatland in Ordnung. Die Ausbildung sei dann zumindest eine Hilfe für zuhause gewesen.
Die Wirtschaftskammer Oberösterreich betonte auf APA-Anfrage zwar: "Asylrecht muss Asylrecht bleiben." Es könne nicht durch das Beginnen einer Lehre ausgehebelt werden. Aber die Interessenvertretung schlägt auch vor, einen Aufenthaltstitel für derartige Asylwerber zu schaffen. Ähnliches gebe es ja jetzt auch schon für Studenten oder Schüler. Doch das große Problem des akuten Fachkräftemangels könnte auch damit nicht gelöst werden, gibt man zu bedenken.
Fachkräftemangel
Der Salzburger Wirtschaftskammer-Präsident Konrad Steindl sieht in der Beschäftigung von Asylwerbern als Lehrlinge ebenfalls einen Beitrag, dem Fachkräftemangel zu begegnen. "Wir befürworten es nicht, dass Lehrlinge in Ausbildung abgeschoben werden", erklärte Steindl gegenüber der APA und forderte eine Lösung, ließ aber offen, wie diese aussehen könnte. Betriebe, die Lehrlinge einstellen, haben Investitionen getätigt und sich engagiert: "Es wäre ein Schaden für die Unternehmer, diese Leute jetzt abzuschieben", so der Kammerpräsident.
Auch der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) hat sich wiederholt dafür ausgesprochen, die Abschiebung gut integrierter Lehrlinge zu verhindern. Er schlug dazu vor, das humanitäre Bleiberecht nach dem Abschluss eines Asylverfahrens noch einmal zu überprüfen, würde aber den Weg über die "Rot-Weiß-Rot-Card" bevorzugen.
Gute und engagierte Lehrlinge seien willkommen, das gelte für die heimische Jugend ebenso wie für Asylwerber, stellte die Wirtschaftskammer NÖ (WKNÖ) am Donnerstag fest. Es sei jedenfalls eine Überlegung wert, dass junge Menschen mit negativem Asylbescheid "ihre Lehre zumindest noch beenden können oder sogar noch einige Zeit im Unternehmen arbeiten".
Firmen, die einen Asylwerber als Lehrling aufnehmen, sei aufgrund der geltenden Rechtslage bewusst, dass der Asylantrag dieses Jugendlichen auch abgelehnt werden könne, so die WKNÖ. "Klar ist aber auch, dass Unternehmen, die einen Lehrling ausbilden, natürlich damit rechnen, damit in eine neue, zukünftige Fachkraft zu investieren. Niemand will einen Jugendlichen, der sich in der Lehre bewährt, wieder verlieren." "Wenn junge Menschen einfach nur herumhängen und keine Ausbildung machen, während sie auf den Abschluss ihres Asylverfahrens warten, scheint das nicht der Weisheit letzter Schluss zu sein", hieß es seitens der Kammer auf Anfrage weiter. Tatsache sei, dass Niederösterreichs Unternehmen dringend Fachkräfte bräuchten.