Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) will den Entwurf zum 12-Stunden-Arbeitstag "optimieren". Man könne "gerne" den Begriff Freiwilligkeit ins Gesetz schreiben, sagte er Mittwoch in der "ZiB2". Proteste gegen die neue Arbeitszeitregelung führte er auf "Panikmache" und Fehlinformation zurück - auch die Tatsache, dass der Tiroler FPÖ-Arbeiterkammer-Fraktionschef aus der Partei ausgetreten ist.
"Unsoziale Politik"
Franz Ebster, Fraktionschef der freiheitlichen Arbeitnehmer, verließ laut "Tiroler Tageszeitung" aus Protest gegen die "unsoziale Politik" der FPÖ in der Bundesregierung die Partei. "Das ist ein Unsinn. Offensichtlich glauben manche der Propaganda" der Gewerkschaften und der SPÖ, hielt Strache Ebsters Kritik an der "Gleichgültigkeit gegenüber den Rechten der Arbeitnehmer" entgegen.
"Natürlich ist das ein Gewinn, eine Win-Win-Situation" für Arbeitgeber und Arbeitnehmer - und "niemand wird mehr arbeiten", hielt Strache der Kritik entgegen - und mutmaßte, "das ärgert die Gewerkschaft", dass die Arbeitnehmer die Freiheit zur Gestaltung ihrer Arbeitszeit bekämen - "und nicht nur die Betriebsräte darüber entscheiden". Denn es gebe schon jetzt in manchen Branchen Kollektivverträge, die 12 Stunden Arbeit ermöglichen, allerdings mit Zustimmung des Betriebsrats.
Im Sommer überarbeiten
Dem Leitenden Sekretär des ÖGB, Bernhard Achitz, ist es beim 12-Stunden-Arbeitstag-Entwurf zu wenig, zum Überstundenthema - wie von Vizekanzler Heinz-Christian Strache vorgeschlagen -, nur den Begriff "freiwillig" ins Gesetz zu schreiben. Auch die anderen geplanten Verschlechterungen müssten verhindert werden, der Entwurf solle über den Sommer überarbeitet werden, forderte Achitz am Donnerstag.
Die Mitbestimmung der Betriebsräte müsse bleiben, so der Leitende Sekretär des Gewerkschaftsbundes. Derzeit sei für eine temporäre Ausweitung der Arbeitszeit auf 12 Stunden eine Betriebsvereinbarung notwendig. Jedes Jahr würden tausende solche Betriebsvereinbarungen abgeschlossen. Auch sei eine Klarstellung nötig, für wen die Arbeitszeitgesetze überhaupt gelten sollten. Laut Regierungsentwurf solle für Führungskräfte bis zur dritten Ebene keine Höchstarbeitszeit mehr gelten. Dies würde dann auch stellvertretende Abteilungsleiter oder Filialleitern in Supermärkten betreffen, so Achitz. ÖGB-Chef Wolfgang Katzian und vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit hatten am Mittwoch bei einer Betriebsrätekonferenz der vida in Wien die Betriebsräte zum "massiven Widerstand" gegen eine Arbeitszeitausweitung aufgerufen.
SPÖ weiter auf Gegenkurs
Die SPÖ läuft weiter Sturm gegen das von der Regierung eingebrachte Arbeitszeitgesetz, das künftig generell 12-Stunden-Tage ermöglichen soll. "Die SPÖ wird mit allen Mitteln gegen dieses Gesetz vorgehen", kündigte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder am Donnerstag vor Journalisten an. Das Mittel der Wahl ist vorerst eine Sondersitzung im Nationalrat.
Der Termin dafür stehe noch nicht fest, da Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) nur "schlechte" Termine vorschlage, also am späten Nachmittag, an dem Schieder von geringeren Medieninteresse ausgeht. Die SPÖ wolle an einem beliebigen Tag Anfang kommender Woche einen medial sichtbareren Termin. "Wir werden uns aber nicht mundtot machen lassen, wurscht wann das ist", versicherte Schieder.
Aus Schieders Sicht haben "Konzernkanzler (Bundeskanzler Sebastian) Kurz und Arbeiterverräter (Vizekanzler Heinz-Christian) Strache" das Gesetz auf Wunsch von Wirtschaft und Industrie eingebracht. KTM-Chef Stefan Pierer habe im Wahlkampf gut 400.000 Euro gespendet "und wünscht sich im Gegenzug, zwölf Stunden sollten möglich sein", so der SPÖ-Klubobmann. Auch verwies Schieder auf ein "Kurier"-Interview Straches aus seiner Zeit als Oppositionspolitiker, in dem er den 12-Stunden-Tag als "asoziale, leistungsfeindliche Idee" bezeichnet hatte.
"Freiwillig kommt nicht vor"
Inhaltlich sei das Gesetz ein Lohn-, Freizeit- und Gesundheitsraub. Im ganzen Gesetzesantrag komme das Wort freiwillig nicht vor, es komme auch nicht vor, dass die Arbeitnehmer ein Recht darauf hätten, sich die Zeit selber einzuteilen.
Schieder würde es aber auch nicht genügen, sollte in das Gesetz die Freiwilligkeit der 11. und 12. Stunde eingebaut werden, wie es Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) am Mittwoch in der "ZiB2" angedacht hatte und auch die ÖVP- und FPÖ-Klubobleute in Aussicht stellen. Das würde nichts daran ändern, dass das Gesetz strukturell arbeitnehmerfeindlich sei und "viel Frechheiten gegenüber den Arbeitnehmern" beinhalten würden.
Auch kritisierte Schieder, dass Menschen mit Gleitzeit künftig 60 Stunden arbeiten könnten, ohne einen Zuschlag zu erhalten. Arbeitszeiten für alle würden länger, aber nicht flexibler, denn die Arbeitnehmer müssten sich künftig rechtfertigen, wenn sie Freizeit vorziehen, statt dass wie bisher der Chef längere Einsätze begründen müsste. Auch falle die generelle Sonntagsruhe, da jedem an vier Wochenenden im Jahr Arbeit zugemutet werden könne. Aus 52 freien Wochenenden würden nur mehr 48.