Die Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG), die dem Österreichischen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbund (ÖAAB) der ÖVP nahesteht, nennt das von ÖVP und FPÖ als Initiativantrag ins Parlament eingebrachte neue Arbeitszeitgesetz als "eine Falle für junge Familien und Arbeitnehmer mit Gleitzeitvereinbarungen". Ebenso fürchtet die FCG einen "Lohnraub". Auch die SPÖ hält das Thema am Köcheln.
"Die Vorteile aus der flexibleren Arbeitszeit werden nur wenige Arbeitnehmer genießen können. Etwa mit einer Vier-Tage-Woche. Familien mit Kleinkindern oder auch Arbeitnehmer mit Gleitzeit müssen hingegen massive Nachteile in Kauf nehmen", so der Wiener FCG-Landesgeschäftsführer Fritz Pöltl am Dienstag in einer Aussendung.
"Kaum Kindergärten"
Pööltl verwies darauf, dass es kaum Kindergärten gebe, die einen 12-Stunden-Betrieb anbieten. Zudem stelle es für Mütter und Väter ohnehin eine Zumutung dar, ihre Kinder dann nur noch schlafend sehen zu können. "Es müsste von der Regierung verhindert werden, dass junge Eltern in die familienfeindliche 12-Stunde Falle getrieben werden. Das neue Arbeitszeitgesetz ist eine Falle für junge Familien und Arbeitnehmer mit Gleitzeit-Vereinbarungen."
Bei Arbeitnehmern mit Gleitzeitvereinbarungen werde der 12-Stunden-Tag besonders problematisch, weil von der 9. bis zur 12. Stunde die Durchrechnung Platz greift und daher keine Überstundenzuschläge mehr dafür bezahlt werden. Pöltl: "Das kommt einem Lohnraub gleich!".
"Husch-Pfusch"
Dass diese Passage im neuen Arbeitszeitgesetz sogar den IV-Präsident Georg Kapsch irritiere und er deshalb gestern eine zweite Analyse angekündigte, zeige das Dilemma mit dem Husch-Pfusch Gesetzesvorschlag, der ohne Begutachtung durch die Sozialpartner von der Regierungsmehrheit durchgepeitscht werden soll, besonders deutlich auf, so Pöltl.
Die FCG sprach am Dienstag in einer Aussendung auch ein YouTube-Video zum Thema 12-Stunden-Tag an, mit dem sich die Wirtschaftskammer massive Kritik eingehandelt hat. "Der Grund: Flexibel zu arbeiten wird im Video als besonderer Vorteil für die Arbeitnehmer dargestellt. Die Kommentare zum Video reichen von 'seid's wo angrennt' bis zu 'Höchstlevel am Weltfremdheit'", so die konservativen Gewerkschafter. WKÖ-Chef Harald Mahrer wollte sich am Dienstag auf Anfrage zumindest vorerst nicht zum Thema äußern.
Die SPÖ wollte das Thema Arbeitszeit am Dienstag auch keineswegs einschlafen lassen. Von Bundesgeschäftsführer Max Lercher bis Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl rückten zahlreiche Sozialdemokraten aus, um die Regierungspläne zu verdammen.
So nahm sich Lercher in einer OTS den ÖVP-Arbeitnehmerbund vor: "Mit seiner arbeitnehmerfeindlichen Haltung und dem Bejubeln des Hackelns bis zum Umfallen hat der ÖAAB jede Existenzberechtigung und Glaubwürdigkeit verloren."
Anderl wiederum rechnete bezugnehmend auf Studien vor, wie die Erhöhung der Maximalarbeitszeit die Gesundheit der Arbeitnehmer gefährde. Während eines 12-Stunden-Tages sei die Ermüdung dreieinhalb Mal so hoch als an einem arbeitsfreien Tag. Nach zwei aufeinanderfolgenden Tagen mit je zwölf Stunden Arbeitszeit müsste man drei Tage frei nehmen, um sich vollständig zu erholen. Werde in der 13. Stunde die Heimfahrt mit dem Pkw angetreten, liege das Verkehrsunfallrisiko bei fast dem Fünffachen: "Das ist so, als ob man mit einem Alkoholspiegel von 0,8 Promille fahren würde."
Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) mahnte indes anlässlich einer Sitzung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses in Wien, dass mit der guten Tradition des Interessenausgleichs nicht gebrochen werden sollte.
"Wertlose" Arbeitnehmer
Die Gewerkschaft PRO-GE geißelte Aussagen eines Unternehmers und ÖVP-Wirtschaftsbundmitglieds auf Twitter, der laut den Arbeitnehmervertretern "ArbeitnehmerInnen im Zuge der Diskussion über den 12-Stunden-Tag als 'wertlos'" bezeichnete und sie auch als "nur ein Produktionsfaktor und eine Lohnstückzahl" genannt habe. "Das ist widerwärtig", sagte PRO-GE-Vorsitzender Rainer Wimmer in einer Aussendung und forderte den sofortigen Ausschluss des Unternehmers aus dem ÖVP-Wirtschaftsbund sowie eine öffentliche Entschuldigung. Eine Distanzierung vom Inhalt dieser - am Dienstag am frühen Nachmittag offensichtlich bereits wieder gelöschten - Tweets reiche sicher nicht aus, so Wimmer.
Die "Oberösterreichischen Nachrichten (OÖN)" hatten über diese - inzwischen gelöschten - Aussagen auf dem Kurzmitteilungsdienst als erstes berichtet. Laut dem Bericht reagierte der ÖVP-Wirtschaftsbund auf die verbale Entgleisung des Mitglieds: "Der Wirtschaftsbund Wien hat keinen Einfluss auf private Accounts von Mitgliedern und damit nichts zu tun. Wir distanzieren uns vom Inhalt dieses Tweets. Weder Wortwahl noch Menschenbild entsprechen unserem Werten", zitierte die Zeitung.
Von der Arbeitgeberseite in der Metalltechnischen Industrie und der Wirtschaftskammer Salzburg wurde das Regierungsvorhaben verteidigt und gelobt. Wir haben schon seit Jahren darauf gedrängt, die Arbeitszeitregelungen flexibler zu gestalten. Arbeiten, wenn Arbeit da ist, das war und ist die zentrale Herausforderung für unsere Branche. Jetzt wird das endlich angepackt", so Christian Knill, Obmann des Fachverbandes Metalltechnische Industrie.