Die Wogen über die ÖVP-FPÖ-Pläne zur Arbeitszeitflexibilisierung, die auch die Möglichkeit eines 12-Stunden-Arbeitstags vorsehen, gehen auch am Tag nach Bekanntwerden des Vorhabens hoch. Heftige Kritik kam von SPÖ und Gewerkschaft. Die SPÖ kündigte ein eigenes Begutachtungsverfahren in der Causa an, der ÖGB prüft bei einer Sitzung Freitagmittag mögliche Maßnahmen bis hin zum Streik.
SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder sprach bei einer Pressekonferenz von "erschreckenden Ereignissen" im Parlament. Für Unbehagen sorgt vor allem der Umstand, dass die Regierungsparteien das Gesetzesvorhaben noch vor dem Sommer im Parlament durchziehen wollen - ohne Begutachtung und ohne breite Diskussion. "Das hat's noch nie gegeben im österreichischen Parlament, dass so ein weitreichendes und Millionen Arbeitnehmer betreffendes Gesetz so durchgepeitscht wurde."
SPÖ und Gewerkschaft wurden am Donnerstag offenbar auf dem falschen Fuß erwischt, als die Klubs von ÖVP und FPÖ ihre neuen Arbeitszeitregeln als Initiativantrag im Nationalrat eingebracht hatten. Der Antrag wurde nicht dem Sozialausschuss, sondern dem Wirtschaftsausschuss zugewiesen und soll bereits Anfang Juli im Nationalrat beschlossen werden.
"Mehrere Fouls"
Schieder sprach von gleich "mehreren Fouls" bei dieser von den Regierungsparteien gewählten Vorgangsweise und warf ÖVP und FPÖ "Sozialabbau und den Abbau von Arbeitnehmerrechten" vor. Es handle sich vor allem um ein Gesetz für die Wirtschaft. "Das Arbeitsleben von Millionen Arbeitnehmern wird dadurch weitreichend negativ beeinflusst." Die SPÖ werde dies nicht einfach hinnehmen. "Wir werden uns zur Wehr setzen und als Notwehrmaßnahme eine eigene Begutachtung organisieren", kündigte Schieder an. Unter der E-Mail-Adresse begutachtung@spoe.at sollen Gewerkschaften, Jugendorganisationen, Kirchen und andere zivilgesellschaftliche Gruppierungen bis Ende Juni die Möglichkeit haben, Stellungnahmen abzugeben. Die SPÖ werde diese dann in die parlamentarische Arbeit einbringen.
SPÖ-Sozialsprecher und Gewerkschafter Josef Muchitsch bezeichnete die Regierungspläne als "ganz klar von Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer bestellt". Es handle sich um einen "Schritt zurück beim Arbeitnehmerschutz". Muchitsch wies auf das gesundheitsgefährdende Potenzial eines 12-Stunden-Tags hin. "Je länger gearbeitet wird, umso höher steigt die Unfallgefahr." Bei Pendlern bestehe nach einem solchen Arbeitstag bei der Heimfahrt hohe Übermüdungsgefahr.
Über das Vorgehen von ÖVP und FPÖ zeigte sich Muchitsch am Freitag immer noch "fassungslos". Als Vorsitzender des Sozialausschusses habe er beiden Parteien ein ordentliches Begutachtungsverfahren und einen möglichen Beschluss in der ersten Plenarsitzung nach dem Sommer angeboten. Der "neue Stil" der Regierung sei aber "Drüberfahren".
ÖGB prüft Kampfmaßnahmen
Nach der Pressekonferenz eilte Muchitsch zu einer ÖGB-Sitzung, bei der auch das weitere Vorgehen der Gewerkschaft beraten werden soll. "Ich bin überzeugt, es wird zahlreiche Aktivitäten geben." Auf die Frage, ob Streiks geplant sind, sagte Muchitsch: "Eine gute Frage, die ich um 13.00 Uhr beantworten kann. Ich gehe davon aus, dass wir alle Möglichkeiten von Kampfmaßnahmen prüfen."
SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek wies unterdessen vor allem auf die negativen Folgen für Frauen hin. Die Vorschläge der Regierung seien "extrem frauen-, familien- und gesellschaftsschädlich", meinte Heinisch-Hosek.
Vergleiche mit den im Plan A der SPÖ vorgeschlagenen Arbeitszeitflexibilisierungsmodellen, in denen von der Möglichkeit von zwölf Stunden täglicher Arbeitszeit bei Gleitzeit die Rede ist, wiesen die SPÖ-Vertreter zurück. Wenn die SPÖ von Flexibilität rede, sei damit Flexibilität für die Arbeitnehmer gemeint, von einem generellen 12-Stunden-Tag war nie die Rede und er sei für die Sozialdemokratie auch nicht vorstellbar, betonte Schieder.