In der Inszenierung überlässt die Koalition nichts dem Zufall. Nicht die Parteichefs Sebastian Kurz oder Heinz-Christian Strache, sondern die beiden Klubobleute August Wöginger (ÖVP) und Walter Rosenkranz (FPÖ) haben gestern den Durchbruch bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit verkündet. Kein Wunder: Die Regelung zählt zu den heikelsten Themen im Regierungsprogramm. Vor allem in FPÖ-Kreisen hält sich die Begeisterung in Grenzen, die Opposition polemisierte in den letzten Wochen gegen die drohende „Einführung des 12-Stunden-Arbeitstags“. Strache weilt noch dazu bei der WM in Russland.
„Es bleibt beim Acht-Stunden-Tag“, versichert Wöginger im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. „Wir werden nur flexibler, wenn es über die acht Stunden hinausgeht.“ Gewinner seien Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber: „Wir haben flexiblere Arbeitszeiten, andererseits ermöglichen wir ein verlängertes Wochenende und eine Vier-Tage-Woche.“
„Gräuelpropaganda“
SPÖ-Kritik an Arbeitszeit-Gesetz: "Eigene Begutachtung als Notwehr"
FPÖ-Klubobmann Rosenkranz geht davon aus, dass die Gewerkschaft die Leute mobilisieren wird, allerdings „nicht aus sachlichen Gründen, sondern aus parteitaktischen Überlegungen“. Rosenkranz rechnet mit einer „Gräuelpropaganda“ -etwa, dass der Zwölf-Stunden-Tag fix komme. Dies sei aber unrichtig: „Der Acht-Stunden-Tag ist die Regel, die 40-Stunden-Woche bleibt die Regel.“
Die SPÖ übte indes scharfe Kritik am "Durchpeitschen" ohne Begutachtung und startet deshalb ihre eigene. Mehr dazu lesen Sie hier.
Gestern wurde der türkis-blaue Vorschlag als Initiativantrag ins Parlament eingebracht und dem zuständigen Wirtschaftsausschuss zugewiesen. Vor dem Sommer soll die Regelung das Plenum passieren. Am 1. Jänner könnte die Regelung, so der Plan, das Licht der Welt erblicken. Laut Koalition orientiere man sich an einem Sozialpartnerpapier, das im letzten Sommer die Runde gemacht hatte, sowie an dem von Ex-Kanzler Christian Kern Anfang 2017 ausformulierten Plan A.
Die Eckpunkte des türkis-blauen Vorhabens
Acht Stunden: Der 8-Stunden-Tag bleibt als gesetzliche Normalarbeitszeit, auch die wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden wird beibehalten. Auf freiwilliger Basis kann ab Jänner auch länger, nämlich bis zu 12 Stunden, gearbeitet werden. Das Modell der Sozialpartner, das von Gewerkschaftsseite nicht akzeptiert wurde, sah ursprünglich eine Erhöhung der gesetzlichen Normalarbeitszeit von acht auf zehn Stunden pro Tag vor.
Neuerungen: Die maximal zulässige Tagesarbeitszeit beträgt künftig zwölf statt zehn Stunden sowie 60 statt 50 Stunden pro Woche. Derzeit sind zwölf Stunden täglich bzw. 60 Stunden pro Woche nur zulässig, wenn ein vorübergehender besonderer Arbeitsbedarf vorliegt, ein unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Schaden droht und es eine Betriebsvereinbarung gibt. Künftig sind flexible Modelle auch ohne Betriebsvereinbarung möglich.
Ablehnungsrecht: Für die elfte und die zwölfte Stunde gibt es demnach bei überwiegenden persönlichen Interessen - etwa Kinderbetreuungspflichten - für jeden Arbeitnehmer ein Ablehnungsrecht.
Zuschläge: Keine Änderungen gibt es bei den Zuschlägen. Nicht übertragbare Gleitstunden werden am Ende der Gleitzeitperiode wie bisher mit Zuschlag (Zeit oder Geld) vergütet.
Reaktionen: Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer sowie Georg Kapsch, der Chef der Industriellenvereinigung, begrüßen erwartungsgemäß den Durchbruch. Künftig könne damit „gearbeitet werden, wenn Arbeit anfällt“. Ganz anders sieht das die Gewerkschaft. Der neu gewählte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian bezeichnete die Pläne als einen "Raubzug gegen die Gesundheit und Geldbörsen" der Arbeitnehmer.