Mit der recht deutlichen Kür von WolfgangKatzian zum Präsidenten hat der ÖGB ein Zeichen der Geschlossenheit ausgesendet. Ob es auch ein Zeichen der Reformfreudigkeit war, wird sich in den kommenden fünf Jahren zeigen. Denn Katzian hat sich eine Strukturenänderung im Gewerkschaftsbund vorgenommen. Dies könnte sogar die schwierigere Übung werden als der Widerstand gegen Maßnahmen der Regierung.
Die Wahl Katzians war keine Selbstverständlichkeit, war das Präsidentenamt doch bisher eine Erbpacht der Arbeitergewerkschaften, unterbrochen bloß durch den Gemeindebediensteten Rudolf Hundstorfer, der im Zuge der BAWAG-Krise fast zufällig an die Spitze gespült worden war. Der 61-jährige gebürtige Stockerauer ist also der erste Privatangestellten-Vertreter, der zum Chef des ÖGB gewählt wurde.
Das ist kein Zufall. Der GPA-Vorsitzende ist ein gewerkschaftliches Schwergewicht, ein gewiefter Strippenzieher, der nicht nur die Position seiner Organisation gestärkt hat sondern nebenbei als Fraktionschef der sozialdemokratischen Gewerkschafter auch im Nationalrat den ein oder anderen Faden gezogen hat, etwa im Energiebereich, für den er Bereichssprecher war. In der Öffentlichkeit fast ebenso bekannt ist er als Präsident des Fußball-Bundesligisten Austria Wien. Selbst schwang er Golfschläger und Tennisracket.
Das Amt des ÖGB-Präsidenten gilt in der Gewerkschaftswelt eigentlich mehr als Repräsentationsjob, was nicht so recht zu Katzians Macher-Image passt. Anzunehmen ist, dass sich der neue Chef mit dieser Rolle nicht zufrieden geben will. Nicht umsonst hat er schon beim Bundeskongress den Wunsch nach einer Strukturreform angetönt. Auch will er den ÖGB für neue Gruppen öffnen, etwas, was ihm in der eigenen Gewerkschaft schon recht gut gelungen ist. Die GPA ist jedenfalls in der Außenwirkung die modernste und gesellschaftspolitisch am weitesten links stehende Teilorganisation der Gewerkschaft.
An sich hat der neue Präsident eine klassische Gewerkschaftskarriere durchgemacht. Der gelernte Bankkaufmann hat in der GPA so ziemlich jede Funktion durchlaufen, die verfügbar war - vom Jugendsekretär über den Geschäftsführer bis eben zum Vorsitzenden. Nebenbei verdingte sich Katzian unter anderem auch als stellvertretender Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse sowie als Obmann der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, bis diese in die Pensionsversicherungsanstalt für Arbeiter integriert wurde.
In der Öffentlichkeit tritt Genussmensch Katzian stets hemdsärmelig auf. Die Verwendung von Dialekt scheut er bei seinen Auftritten nicht. Redner ist er kein schlechter, manchmal zaudert er jedoch, auf den Punkt zu kommen und wird sperrig. Lieber erreicht er seine Ziele durch Verhandlungsgeschick als durch Poltern in der Öffentlichkeit. Zu glauben, dass er sich deswegen scheuen würde, den ÖGB in einen Streik gegen die Regierung zu führen, wäre jedoch ein Fehler. Katzian steht zwar an sich für die Sozialpartnerschaft, konfliktscheu ist er aber nicht, wie diverse Kampagnen seiner GPA gegen prominente und auch beliebte Handelsketten bewiesen haben.