Kultusminister Gernot Blümel (ÖVP) hat in der ZiB2 Kritik am Zeitpunkt ihrer am Freitag verkündeten Moscheen-Schließungen und Maßnahmen gegen den politischen Islam zurückgewiesen. "Wir warten natürlich nicht, ob der Herr Erdogan Wahlen hat, wenn es darum geht, in Österreich dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen", sagte Blümel. Am Vortag hat in Österreich für die Auslandstürken die türkische Präsidentenwahl begonnen; der türkische Präsident wirbt im Wahlkampf massiv um ihre Stimmen.
Auch die Kritik der türkischen Regierung, die von "Islamophobie" in Österreich gesprochen hatte, wies Blümel zurück. Die negative Reaktion auf die Umsetzung des österreichischen Islamgesetzes zeige nur, welche Haltung man dort zur Demokratie habe, so der Kultusminister.
>>>Zum Kommentar: Von der Wirkung der Signale
Rechtliche Mittel ausschöpfen
Die Arabische Kultusgemeinde Österreich will ihre Auflösung rechtlich bekämpfen. "Wir werden im Fall der Ausstellung eines Auflösungsbescheids alle uns zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel ausschöpfen", hieß es in einer Aussendung Freitagabend. Man betonte außerdem, dass es noch keinen solchen Bescheid gegeben habe und die von der Regierung verkündete Auflösung nicht stattgefunden habe.
Die Kultusgemeinde warf der Bundesregierung in diesem Zusammenhang vor, das Amtsgeheimnis verletzt zu haben und "aus politischem Kalkül die Objektivität des Verfahrens" zu gefährden. Dass in ihren Moscheen salafistische Einstellungen verbreitet würden, bestritt die Kultusgemeinde und sprach von "haltlosen Vorwürfen" seitens der Regierung. "Wir halten fest, dass wir uns zu den Werten der österreichischen Gesellschaft und zur österreichischen Verfassung bekennen."
Politikwissenschafter Thomas Schmidinger hält die Vorgangsweise der Bundesregierung beim Schließen der Moscheen für populistisch. Dass die Bekanntgabe ausgerechnet zum Zeitpunkt der Türkei-Auslandswahl erfolgt, spiele Präsident Recep Tayyip Erdogan in die Hände, erklärte Schmidinger am Freitag im Gespräch mit der APA. Gegnern des Regimes in der Türkei sei damit nicht geholfen. In der Türkei waren die Reaktionen auf die Maßnahmen der österreichischen Regierung bereits erbost ausgefallen: Erdogans Sprecher sprach von "Islamophobie" und "Rassismus". Im Internet schaukelte sich die Stimmung auf, manche Erdogan-Anhänger forderten Gegenmaßnahmen wie Kirchenschließungen.
Schmidinger erklärte, er sei kein besonderer Freund des Islamgesetzes und von Verboten. Wenn man aber Gesetze beschließt und diese ernst nimmt, müssen sie auch eingehalten werden. "Ich bin nicht sonderlich überrascht, dass das Gesetz was die Auslandsfinanzierung betrifft, nicht eingehalten wird. Ich verstehe es, dass man dann durchgreift."
Es sei aber fraglich, ob das irgendetwas zum Positiven verändert. Viel eher werde sich dadurch die ATIB noch mehr an den Rand gedrängt fühlen und versuchen, die Imame mit legalen Umgehungsstrukturen zu finanzieren. Schmidinger glaubt nicht, dass die ATIB nun weniger von der Türkei gesteuert werde. Die Finanzierung aus dem Ausland laufe über eine Gehaltsüberweisung des Amts für religiöse Angelegenheiten (Diyanet), von dort gebe es regelmäßige Überweisungen, war aus dem Kultusamt zu erfahren.
Gefährliche Bewegung
Unter anderem wurde dem Moschee-Verein "Nizam-i Alem" in Wien-Favoriten der Betrieb untersagt, da diese Moschee in Verdacht steht, unter Einfluss der als extremistisch und faschistisch eingestuften türkischen "Grauen Wölfe" zu stehen. Dazu erklärte Schmidinger, dass diese von einer "definitiv rechtsextremen Partei" betrieben werde, die sich von den "Grauen Wölfen" abgespalten habe, da ihnen diese "zu gemäßigt" seien: "Das ist eine gefährliche Bewegung."
Skepsis gegenüber Verbotspolitik
Der Politikwissenschafter ist aber skeptisch, inwiefern eine Verbotspolitik die Haltung der Betroffenen ändern kann. Österreich habe "aus gutem Grund einen Gesinnungsparagrafen" betreffend Nationalsozialismus. Was andere Formen von Rechtsextremismus und autoritäre Einstellungen betrifft, hält er es für sinnvoller, diesen anders zu begegnen als mit einem Verbot. Denn damit würde diese Gruppierungen eher in den Untergrund gedrängt, vermutet Schmidinger.
Wasser auf Mühlen der Rechten
Sinnvoller wäre aus seiner Sicht, dem türkischen Rechtsextremismus im Bereich der Bildung gegenzusteuern. Schmidinger fürchtet, dass die Aktion im Kontext mit den türkischen Wahlen "Wasser auf den Mühlen der Rechten ist". In der Türkei werde man wohl sagen: "Die bösen Türkeihasser verbieten jetzt schon Moscheen in Europa." Daher sei der Zeitpunkt besonders unglücklich gewählt. Der Politikwissenschafter geht eher davon aus, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit dem Zeitpunkt ein "populistisches Signal" an die Österreicher senden möchte. "Den Gegnern des autoritären Regimes in der Türkei ist damit sicher nicht geholfen."
In Österreich leben rund 100.000 wahlberechtigte türkische Staatsbürger. Sie können ihre Stimme an den drei Generalkonsulaten in Wien, Salzburg und Bregenz abgeben. Die Wahllokale sind bis zum 19. Juni geöffnet.