1. Warum gibt es nun diese Medienenquete?
Was die türkis-blaue Regierung medienpolitisch plant, ist eine der großen Unbekannten seit ihrer Angelobung. Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) hat auf Nachfrage stets auf die Medienenquete verwiesen. Der Begriff wird hierzulande mit einer Arbeitstagung gleichgesetzt, die Verhältnisse und Gegebenheiten prüfen soll. Der Termin wurde mehrfach verschoben. Die Erwartungen der Branche sind dementsprechend hoch.
2. Was genau soll dort passieren?
Es ist eine parlamentarische Veranstaltung, bei der in erster Linie über Inhalte geredet wird, Gesetze werden keine verabschiedet. Erstaunlich ist, dass der Medienminister keine eigenen Konzepte präsentiert und auch nicht vorhandene wie jene zur Reform der Presseförderung oder zum Ausbau zu einer Qualitäts-Medienförderung debattieren lässt. Nein: Er hat hochkarätige Rednerinnen und Redner geladen, die die Debatte führen werden, deren Ergebnisse danach in Workshops diskutiert werden. Vorträge halten unter anderem die tschechische EU-Kommissarin Vera Jourová und zwei Medienmanager, die immer für Sager gut sind. Gerhard Zeiler, einst ORF-Intendant und heute Präsident des US-Kabelnetzriesen Turner, sowie Mathias Döpfner, Axel-Springer-Chef und ein ausgewiesener Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Minister Blümel hatte bei einem Hintergrundgespräch Mitte Mai angedeutet, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag ein zentrales Thema der Enquete sei. Weiters auf dem Programm stehen die Themen „Förderung und Finanzen“, „Digitalisierung und Demokratie“ oder „Public Value“.
3. Warum ist das alles trotzdem brisant?
Weil die Regierung in dieser Legislaturperiode ein neues ORF-Gesetz verabschieden und die Medienpolitik neu ausrichten will. Wie genau, lässt sich derzeit nur erahnen. Spekuliert wird, dass Türkis-Blau längst ein fertiges Konzept in der Tasche hat. Offiziell hält man sich bedeckt. Blümel ließ unlängst mit dieser Aussage aufhorchen: „Ich gehe schon davon aus, dass der eine oder andere Gesetzesentwurf bereits noch in diesem Jahr erfolgen könnte.“ Ansonsten haben Vertreter der FPÖ zuletzt immer wieder scharf auf den ORF, seinen Auftrag sowie auf einzelne Mitarbeiter geschossen.
4. Wer sieht die Enquete optimistisch?
Zum einen die Privatsender. In einem 19-seitigen Positionspapier hat der Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) zuletzt eindeutig Stellung bezogen: Die Privaten fordern „zumindest“ eine der vier bundesweiten UKW-Frequenzketten des ORF. Insgesamt fordern sie striktere Vorgaben und Beschränkungen für den ORF in puncto Werbemöglichkeiten sowie eine strengere Regulierung für internationale Digitalkonzerne. Markus Breitenecker, Geschäftsführer von Österreichs größter privater Sendergruppe ProSiebenSat.1Puls4, hat gemeinsam mit Puls-4-Infochefin Corinna Milborn ein Buch herausgegeben. In „Change the Game“ geht es in erster Linie um die Gefahren von Facebook und Google, aber es finden sich darin auch jede Menge Vorschläge für eine Neuordnung der heimischen Medienszene - ein cleverer Schachzug. Ihre Vision: ein nationaler und europäischer Schulterschluss der Medienhäuser gegen die US-Internetriesen Facebook und Co. Die Forderungen der Privatsender sind an manchen Stellen erstaunlich ident mit der bislang bekannten Haltung Blümels, der in einem Interview sagte: „Kooperation statt Gegeneinander kann allen jedenfalls guttun.“
5. Wer sind die Kritiker der Enquete?
Einen Tag vor der Enquete lädt die Plattform „Wir für den ORF“ zur „besseren, größeren öffentlichen Medienenquete“. Dort werden „Falter“-Herausgeber Armin Thurnher, die Philosophin Isolde Charim, Autorin Ingrid Brodnig, ORF-Zentralbetriebsratschef Gerhard Moser oder der einstige ORF-Programmchef Wolfgang Lorenz auftreten - genauso wie die Musiker Ernst Molden und Willi Resetarits und die „Staatskünstler“, die ursprünglich für die echte Enquete angefragt wurden, aber danach wieder ausgeladen wurden. „Wir brauchen den ORF als öffentlich-rechtliche Anstalt, nicht als Staatsfernsehen und Staatsrundfunk“, betont Rubina Möhring („Reporter ohne Grenzen“).
6. Streitwort „Public Value“: Was ist das?
Öffentlich-rechtliche Medien sind nicht rein einem Geschäftsmodell, sondern einer demokratischen Öffentlichkeit verpflichtet. In den letzten Jahren hat sich dazu der Begriff „Public Value“ (öffentlicher Mehrwert) etabliert, der mittlerweile beinahe schon inflationär verwendet wird. Allen voran die BBC, aber auch ARD, ZDF und ORF heften sich den Begriff als Kernkompetenz an ihre Fahnen und legitimieren so die Gebührenfinanzierung. Dieses Alleinstellungsmerkmal kann der ORF nicht mehr für sich in Anspruch nehmen. Egal ob Filme, Sportrechte, Kulturprogramm und auch TV-Information - hier hat der ORF längst Konkurrenz von den Privaten bekommen.
7. Warum sind einige ORF-Vertreter nervös?
Wie erwähnt, geht es um ein neues ORF-Gesetz. Die FPÖ hat zuletzt häufig gepoltert, man werde diese Reform auch nützen, um die GIS-Gebühren abzuschaffen. Zu beobachten ist, dass ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz in den letzten Tagen in die Offensive gegangen ist. Er plauderte als Gast von Claudia Stöckl bei „Frühstück bei mir“ nicht nur über Bartwuchs, sondern, ganz subtil, über den ORF - und die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Nach monatelangen Gerüchten hat er rechtzeitig vor der Enquete die neue Struktur der TV-Information umgesetzt. Die neuen Namen lassen auf ein mit den Regierungsparteien akkordiertes Paket schließen. Es ist kein Zufall, dass in einer neuen Kampagne ORF-Lieblinge wie Claudia Reiterer oder Peter Resetarits mit einem VW-Bulli und dem Slogan „ORF für Sie“ durchs Land touren, um bei den Zuschauern nachzufragen, was die sich denn vom ORF wünschen.
8. Welche Haltung hat die Opposition dazu?
Der frühere Medienminister Thomas Drozda legte bei einem Hintergrundgespräch ein SPÖ-Ideenpapier vor: Er lehnte eine Finanzierung des ORF und der Presse durch das Bundesbudget ab, spricht sich aber für einheitliche Gebühren in den Bundesländern aus. Und: Er fordert GIS-Gebühren für Streaming.
9. Wer diskutiert die Gebührenfrage?
Die Frage der Gebühren ist eine Gretchenfrage für den ORF: Beim Panel „Finanzierung und Förderung“ sitzen mit Eva Dichand (Gratiszeitung „Heute“) und Ernst Swoboda (Privatsender KroneHit) zwei ausgewiesene Gegenspieler zu ORF-Gebühren auf dem Podium. Ausgerechnet zu diesem Punkt wurde niemand vom ORF geladen.
10. Und was fordert eigentlich der ORF?
ORF-Chef Wrabetz geht mit dem Vorschlag eines „Austria-Players“ nach BBC-Vorbild in die Enquete: Dort sollen Inhalte, die exklusiv für eine Online-Verbreitung vorgesehen sind, stehen. Eines seiner dringendsten Wünsche: Die Sieben-Tage-Grenze für die TVthek möchte er „zumindest auf einen Monat“ verlängern.