Die von der Regierung geplante Kürzung der Mindestsicherung betreffe vor allem Kinder - und nicht, wie die Regierung vorgebe, Ausländer, kritisierte der scheidende Diakonie-Direktor Michael Chalupka in der ORF-"Pressestunde". Enttäuscht ist er von Kanzler Sebastian Kurz, weil "Hilfe vor Ort" für Flüchtlinge gekürzt wurde. Insgesamt habe die Regierung in der Flüchtlingspolitik "wirklich versagt".
Kurz bereitete Chalupka die größte Enttäuschung seiner 24-jährigen Amtszeit. Denn als Außenminister sei dieser noch "engster Verbündeter der Hilfsorganisationen" in der Forderung nach mehr Geld für die "Hilfe vor Ort" - etwa in Flüchtlingslagern im Libanon und Jordanien - gewesen. Aber unter Kurz als Kanzler sei der Auslands-Katastrophenfonds gekürzt worden, statt der im Wahlkampf versprochenen 60 Mio. gebe es jetzt nur mehr 15 Mio. Euro.
Seitens seiner Regierung "passiert nix, außer zu sagen, wir machen irgendwelche Grenzen dicht", kritisierte Chalupka. Dabei seien die Flüchtlingszahlen derzeit so, "dass man zu gelassener Normalität übergehen kann", wandte er sich gegen "Aufregung und Hysterie". Nach Griechenland seien heuer bisher 10.000 Menschen gekommen - so viele wie 2015 täglich.
Und von den Kürzungen bei der Mindestsicherung seien zum größeren Teil österreichische Familien und nur zum kleinen Teil ausländische Familien betroffen, trat Chalupka der Darstellung der Regierung entgegen. Ein Drittel der mit Mindestsicherung unterstützten Menschen sei minderjährig, nur zehn Prozent anerkannte Asylwerber.
Familien bekämen nach den Regierungsplänen für das dritte Kind nur 1,50 Euro pro Tag. Von Anfang an einige Kinder auszuschließen - und ihnen keine Chancen zu geben - "ist nicht gescheit .... damit schaffen wir uns selber Probleme" im Sozial- und im Sicherheitsbereich, stellte Chalupka klar.
Der Diakonie-Direktor sieht "keine Not", am Mindestsicherungssystem überhastet "herumzudoktern" - sinke doch die Zahl der Bezieher wieder nach dem Anstieg durch die "große Krise" von 2008 bis 2016 und die Flüchtlingswelle 2015. Wenn man etwas ändern wolle, dann "in professioneller Art und Weise" gemeinsam mit Experten, appellierte der Diakonie-Direktor für "mehr Sorgfalt und ein bissl mehr Respekt vor Menschen, die es betrifft".
"Husch-Pfusch-Gesetze" beanstandete der Diakonie-Direktor auch im Pflegebereich, etwa die - von ihm prinzipiell begrüßte - Abschaffung des Pflegeregresses. Nötig wäre ein umfassende Reform samt Lösung für die Finanzierung der steigenden Kosten. Chalupka hielte eine für die Pflege zweckgewidmete Vermögenssteuer für Reiche - mit mehr als einer Millionen Euro Vermögen - für sinnvoll.
Der 58-jährige evangelische Pfarrer zieht sich im August nach vier Amtsperioden (seit 1994) als Diakonie-Direktor zurück. Seine Nachfolgerin wird die Theologin und Sozialethikerin Maria Katharina Moser. Chalupka will sich dann intensiver um die Bildungsfrage kümmern - und sein Pfarramt ausüben: "Ich möcht predigen, singen, loben und beten, das ist das was ich am liebsten tue."