Nach 20 Jahren in den obersten ORF-Aufsichtsgremien müssen Sie nach Beschluss der Bundesregierung nun ausscheiden. Enttäuscht darüber oder auch erleichtert?

FRANZ KÜBERL: Weder noch. Einfach zur Kenntnis genommen. Ich habe 20 Jahre mit Engagement und hoffentlich auch mit Sachkenntnis mitgewirkt. Das bleibt. Es bleibt aber auch der heikle Punkt der Ernennung: weil ja die Entsendung durch die Regierung für einen Religionsstiftungsrat nur eine Notmaßnahme sein kann. Die Wahl durch den Publikumsrat wäre die richtige Form.

Ihr ehemaliger Stiftungsratskollege Peter Koren meint, es solle zu keiner „Versteinerung“ im ORF-Aufsichtsgremium kommen: „Regelmäßiger Wechsel“ verbessere die Qualität.

FRANZ KÜBERL: Natürlich, so wie es in einer demokratischen Gesellschaft in keiner Organisation zu Versteinerung kommen darf. Die richtige Mischung sollte vor Beschickung transparent sein: fachlich, regional, Gesellschaftsquerschnitt. Ein guter Mix aus Frischluft, Ideenreichtum und Erfahrung. Spielentscheidend sind allerdings Qualität und die innere Freiheit der Aufsichtsräte, weniger die Dauer ihrer Funktionsausübung. Und die Versteinerung in Aufsichtsräten entsteht nicht zuletzt durch Fraktionen. Das muss durch bessere Formen der Meinungsbildung endlich abgelöst werden.

Mit zwei ORF-Betriebsräten waren Sie der dritte deklarierte Unabhängige in diesem Gremium, dessen Mitglieder laut ORF-Gesetz weisungsfrei und nur dem Wohl des Unternehmens verpflichtet sein sollten.

FRANZ KÜBERL: Als Bedingung für meine Entsendung habe ich von Anfang an gestellt, keiner Fraktion angehören zu müssen. Denn das schickt sich für einen Vertreter der katholischen Kirche am Ende des 20. Jahrhunderts nicht mehr. Und schon gar nicht für einen Religionsstiftungsrat, der ein Mandat für Kirchen und Religionsgesellschaften ausübt. Übt man eine Funktion mit neuem Selbstverständnis aus, wird es immer auch Kritik daran geben. Logo. Ich habe aber mit Stiftungsräten aus allen Fraktionen eine sehr gute Gesprächsbasis gehabt. Gar nicht so wenige Stiftungsräte haben mich manches Mal um meine Freiheit beneidet. Und gar so manche und mancher musste ohne Angabe von Gründen das Feld vorzeitig räumen.

Bei der letzten Geschäftsführerbestellung enthielten Sie sich der Stimme. Aus Protest gegen den Druck, der ausgeübt wurde. Wie stellt man sich den vor?

FRANZ KÜBERL: Bei allen Wahlen hat es direkten und indirekten Druck auf mich gegeben. Je nach Erziehung der Druckausüber waren es Drohungen oder Wohlverhaltensversprechen. Übrigens, ich unterscheide Druck von Wünschen. Denn Wünsche für ein bestimmtes Wahlverhalten des Küberl kann jeder äußern.

Während ein Teil der Regierungsmitglieder „Weg mit den Zwangsgebühren!“ skandiert, haben Sie dafür plädiert, die ORF-Gebühren in kürzeren Abständen moderater anzuheben.

FRANZ KÜBERL: Die Anhebung von ORF-Gebühren ist ein enorm politischer Vorgang. Weil es seit langer Zeit üblich ist, die Gebühren nur alle vier oder fünf Jahre anzupassen, geht es immer um relativ hohe Sprünge. Da die jeweilige Regierung ein Wörtchen mitredet, ist das eine gute Gelegenheit, eine Erpressungsbitte auszusprechen. Richtiger wäre es, wenn alle zwei Jahre eine gelinde Anpassung kommt, das ist erträglicher als ein achtprozentiger Sprung nach oben. Vielleicht gibt es noch einmal Einsicht dafür.

Der Griff der Politik nach dem ORF ist so alt wie die Geschichte dieses Unternehmens. Sehen Sie eine realistische Chance auf Reduktion dieser Begehrlichkeiten oder hoffen Sie nur darauf?

FRANZ KÜBERL: Es gibt immer eine Chance auf mehr Normalität in den Beziehungen zwischen dem ORF und den Regierungsparteien. Kluge Normierung der Gesetze, die nicht zukunftssperrend für den ORF sind, die Regeln für die Auswahl der Aufsicht, ja, das sind Aufgaben des Parlaments. Die Sehnsucht nach täglicher Beeinflussung sollte man tunlichst abbauen. Normales Gespräch, Kritik, Anregungen sind in der Demokratie nicht nur erlaubt, sondern deren Lebenselixier. Übrigens: Medienpolitik einer Regierung wird wohl immer mehr sein müssen, als darauf zu achten, ob man im ORF eh gut vorkommt. Ich denke, es ist Zeit, Rechtsstaatlichkeit auch gegenüber Internet und Social Media durchzusetzen.

Was wünschen Sie dem ORF und vor allem seinem Publikum?

FRANZ KÜBERL:Dem zahlenden Publikum wünsche ich, dass über Schirm und Äther Qualitätsprogramm in so großer Vielfalt zu empfangen ist, dass sich alle Hörenden, Sehenden, Lesenden gut informiert, gut unterhalten fühlen und gut am Weltgeschehen teilnehmen können. Dem ORF wünsche ich, dass er unterschiedliche Ansprüche an dieses feingliedrige Medium zu bedienen vermag. Dass er wichtiger Eckpfeiler produktiver Identität unseres Landes bleibt. Dass er die richtige Spannung von Unaufgeregtheit und Provokation hat. Dass Information, Recherche, Analyse, Kommentare präzise und einfühlsam passen. Die beste Zeit des ORF könnte ja noch kommen!