Der Anruf erfolgte überraschend. Der langjährige Caritas-Präsident Franz Küberl ist am Samstag telefonisch informiert worden, dass er nach 20 Jahren seinen Platz als ORF-Stiftungsrat räumen müsse. „Ja, ich bin von glaubwürdiger Stelle in Kenntnis gesetzt worden, dass ich für die nächste Periode nicht nominiert werde“, bestätigte Küberl Sonntagabends im Gespräch mit der Kleinen Zeitung entsprechende Gerüchte. Mehr wollte der Steirer dazu nicht sagen.
Dem Vernehmen nach beruht Küberls Abberufung auf einem Deal zwischen Kardinal Christoph Schönborn und ÖVP-Medienminister Gernot Blümel. Nach offizieller Lesart sollte damit ein „Generationenwechsel“ vollzogen werden, Küberl soll durch den 51-jährigen Alfred Trendl, den Präsidenten des Katholischen Familienverbandes, ersetzt werden. Der „Standard“ weist in seiner Montag-Ausgabe daraufhin, dass sich Türkis-Blau auf diese Weise eine Zweidrittelmehrheit für die sofortige Entlassung von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz sichert.
Küberl gilt als unabhängiger Querdenker, der sich nicht von der Politik einspannen lässt. In der Vergangenheit hatte er allerdings immer wieder Wrabetz zur notwendigen Mehrheit im Stiftungsrat verholfen. Seine Nähe zu Wrabetz dürfte nicht der einzige Grund für die Abberufung sein. Küberl hatte in den letzten Jahren immer wieder Kritik an der verschärften Flüchtlingspolitik von ÖVP-Chef Sebastian Kurz geübt.
Umfärbung erst nach dem EU-Vorsitz?
Wrabetz' Abwahl steht derzeit nicht im Raum. „Wenn wir das machen, handeln wir uns den Vorwurf der Orbanisierung ein“, meinte vor ein paar Wochen ein hochrangiger ÖVP-Politiker im Gespräch. Allgemein wird damit gerechnet, dass eine allfällige Umfärbung des ORF erst im Jahr 2019, wenn der österreichische EU-Vorsitz Geschichte ist, über die Bühne geht.
Küberl zog 1998 in den Stiftungsrat ein, im Jahr 2014 wechselte er auf ein Regierungsticket. Das ORF-Gesetz sieht vor, dass jede Bundes- oder Landesregierung nach geschlagenen Wahlen ihre Stiftungsräte austauschen kann. Küberls Mandat endet im Mai.