FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache regt auch an, dass sich die Korporationen und das Dritte Lager einer Aufarbeitung der Vergangenheit widmen. Dies könne durch eine Historikerkommission erfolgen, die sich schonungslos mit den Fehlern der eigenen Vergangenheit auseinandersetzen solle.
Strache geht also in die Offensive, und das ist gut so. Denn: Viele Mitglieder der Burschenschaften sind politisch Rechte, aber durchaus ehrenwerte Mitglieder der Gesellschaft. Viele sind aber auch Grenzgänger, die ihre Bundesbrüder in Verruf bringen und von denen sich diese Bundesbrüder bisher zu wenig distanziert haben.
Zwei Beispiele rückten nun in den Vordergrund: Zum einen die "Germania" zu Wiener Neustadt, mit den inzwischen sattsam bekannten nationalsozialistischen Liedtexten.
Zum anderen ihre Namensschwester in Ried im Innkreis, denn auch die äußerst ehrenwerte nunmehrige Außenministerin Karin Kneissl war dort geladen und hat dort referiert.
Im einem Gastkommentar im "Standard" schilderte nun Buchautor Ludwig Laher auf anschauliche Weise, wie Grenzgänge entstehen bzw. auf welche Weise Grenzen klar überschritten werden. Seine dokumentarischen Romane "Herzfleischentartung" und "Bitter" thematisieren wenig beachtete Facetten der NS-Gewaltherrschaft in Österreich.
Laher berichtet von einer Festschrift der Germania zu Ried aus dem Jahr 2000, in der es zum Ende des Zweiten Weltkrieges, "der so bitter endete", heißt: "Die ersten Nachkriegsjahre brachten für viele Bundesbrüder Unbill und Verfolgung. Viele wurden aus ihren Ämtern gejagt, viele interniert und insgesamt fast alle verfolgt und verfemt."
Nicht gesagt, und doch verstanden
Illustration ist einzige das Bild eines gewissen Fritz Kranebitter, ohne Hinweis "auf die Ämter, die der Polizist, Jurist und frühe illegale SSler nach der Machtübernahme ausgeübt hat, als da wären: Gestapochef von Wiener Neustadt, Referatsleiter in der Wiener Gestapozentrale am Morzinplatz, dann massenmordender Gestapochef von Charkow in der besetzten Ukraine und schließlich, nach Mussolinis Demontage, Abteilungschef in Verona, dem Hauptquartier der Gestapo in Italien."
Was und wen der Innviertler Fritz Kranebitter auf dem Gewissen hat, beschreibt Laher in seinem 2014 erschienener Roman "Bitter" in allen Details.
Ein anderer Buchautor, Gottfried Gansinger, der sich mit dem Nationalsozialismus in Ried im Innkreis beschäftigt hat,weiß dazu dass Kranebitter im Herbst 1944 in Abwesenheit in der Ukraine im ersten Kriegsverbrecherprozess der Verantwortung für die Ermordung von 30.000 bis 40.000 Juden und Ukrainern beschuldigt wurde und zu den am schwersten belasteten österreichischen Kriegsverbrechern gehöre. In Österreich sei er nur wegen seiner illegalen NSDAP-Mitgliedschaft und wegen seiner SS-Mitgliedschaft als Staatsbeamter zwischen 1938 und 1938 verurteilt worden.
Instrument der Ewig Gestrigen
Geschichten wie diese sind bezeichnend und "Codes" wie die Erwähnung Kranebitters, ohne dass für Eingeweihte die Historie näher erläutert werden muss, sind das offenbar immer noch regelmäßig verwendete Instrument der ewig Gestrigen, die damit nach außen hin über ihre demokratiefeindliche und rassistische Gesinnung hinwegtäuschen will.
Hier gehört aufgeräumt. Wenn es Heinz-Christian Strache ernst meint, mit seiner Aufräumaktion samt Historikerkommission wäre das das erste Mal in der Nachkriegsgeschichte, mehr als 60 Jahre nach Ende des Weltkrieges, dass auch im Dunstkreis dieser Kreise die Vergangenheit endgültig bewältigt wird. Und der salonfähige Teil der Burschenschaften damit wieder satisfaktionsfähig wird.
Claudia Gigler