Frau Minister, Sie waren heuer bereits EU-Abgeordnete, Generalsekretärin der ÖVP, Frontfrau im Wahlkampf und Nationalratspräsidentin. Sind Sie gedanklich schon im Ministerium angekommen?
Elisabeth Köstinger: Absolut, das ist sehr schnell gegangen. Ich habe ja im Bereich Umwelt, Landwirtschaft und Energie durch meine Arbeit im Europaparlament eine große Expertise und kenne auch das Haus. Ich bin übrigens in der 150-jährigen Geschichte des Landwirtschaftsministeriums in die erste Frau an der Spitze.
Umwelt, Landwirtschaft und Tourismus harmonieren nicht zwangsläufig immer. Was hat im Zweifel bei Ihnen Vorrang?
Ich sehe es als riesengroße Chance, dass wir unter dem Dach der Nachhaltigkeit die wichtigsten Bereiche unserer Lebensgrundlagen bündeln: Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Klimaschutz, der erstmals im Bundesministeriengesetz verankert ist. All diese Bereiche wollen wir in einer integrierten Klima- und Energiestrategie verbinden.
Eine solche hatte schon Ihr Amtsvorgänger Andrä Rupprechter versprochen, geworden ist daraus nichts. Was werden Sie besser machen?
Mein Vorteil ist, dass ich nun die Bereiche Klima und Energie gemeinsam unter meinem Dach habe. Ich muss diese Dinge also maßgeblich nur mit mir selber ausmachen. Dazu kommt als wichtiger Aspekt natürlich auch der Verkehr. Da haben wir sehr große Herausforderungen, aber ich bin zuversichtlich, dass wir mit Bundesminister Norbert Hofer einen guten Weg finden werden.
Verkehrsminister Hofer plant höheres Tempo auf Autobahnen, eine Entschärfung des Feinstaub-100ers und Rechtsabbiegen bei Rot. Das klingt eher nach freier Fahrt als nach Klimaschutz.
Große Teile der Kritik am Luft-100er sind ja berechtigt, weil das Tempolimit zu träge reagiert. Dass man da die Effizienz überprüft, ist nur logisch. Unabhängig davon sind wir uns in der Regierung einig, dass wir gemeinsam eine große Strategie zustande bringen müssen, die maßgebliche Verbesserungen beim Klimaschutz bewirkt.
Österreich hat zuletzt bei internationalen Klimaschutz-Untersuchungen schlecht abgeschnitten. Zurecht?
Zum Teil schon. Wir haben unsere Vorreiterrolle in vielen Umweltbereichen abgegeben. Ich glaube, dass wir wieder stärker auf Forschung und Entwicklung setzen müssen. Es gibt ja großartige Unternehmen in Österreich, die Anreize brauchen, um nicht nur im Ausland tätig zu sein. Wir wollen hier wieder Vorreiter sein.
Sie kündigen an, dass sich Österreich bis 2050 von fossilen Energieträgern vollständig verabschieden soll. Laut Umweltbundesamt droht das Land aber sogar am moderaten CO2-Ziel für 2020 zu scheitern.
Ich habe dazu bereits die ersten Gespräche mit den Experten im Haus geführt. Wir arbeiten unter Hochdruck daran, die Rahmenbedingungen vorzubereiten. Dazu gehört auch die Ökostromnovelle, wo es zuletzt in vielen Bereichen Blockaden gegeben hat. Wenn wir das zügig auflösen, haben wir eine realistische Chance, die Ziele für 2020 einzuhalten.
In den Genehmigungsverfahren sollen künftig Standortanwälte als Projekt-Fürsprecher eingebaut werden. Ein Schlag gegen die Umweltanwälte der Länder?
Das Hauptziel muss es sein, die Verfahren zu beschleunigen. Auch außerhalb Österreich versteht es niemand mehr, dass sich manche Genehmigungen etwa für Straßen oder andere Bauprojekte fast schon über Jahrzehnte hinziehen. Natürlich bleibt das Mitbestimmungsrecht in den Verfahren aufrecht, aber es kann nicht sein, dass die Verfahren künstlich in die Länge gezogen werden. Das tut dem Standort nicht gut und führt zu Stillstand.
Ihr Amtsvorgänger hatte angekündigt, das Umweltbundesamt nach Klosterneuburg abzusiedeln. Bleibt es dabei?
Diese Vereinbarung ist bereits unterzeichnet. Das Land Niederösterreich stellt dafür auch eine Finanzierung bereit und das Umweltbundesamt war schon länger auf der Suche nach einem neuen Standort. Mir ist es wichtig, dabei mit den Mitarbeitern eine Lösung zu finden, mit der alle leben können.
Es bleibt bei der Absiedlung?
Zum derzeitigen Zeitpunkt ja.
Sie wollen auch den Ausstieg aus dem Pestizid Glyphosat prüfen, dessen Zulassung die EU um fünf Jahre verlängert hat. Also doch ein Verbot in Österreich?
Österreich hat bei der Zulassungsverlängerung auf EU-Ebene dagegen gestimmt. Ein nationales Verbot zu erlassen, wäre aber europarechtlich nicht haltbar. Wir gehen davon aus, dass es künftig keine weitere Neuzulassung von Glyphosat mehr geben wird und haben jetzt die Chance, den kommenden Ausstieg vorzubereiten.
Das bedeutet, kein Verbot vor einem EU-weiten Ausstieg?
Das wäre rechtlich schwierig, aber die im Nationalrat beschlossene Machbarkeitsstudie prüft auch einen vorzeitigen Ausstieg.
Sie haben angekündigt, die Bürokratie in der Landwirtschaft zu reduzieren. Wo wollen sie als erstes ansetzen?
Ziel ist es, in der Produktion mehr Freiheit zuzulassen. Wir haben da Auflagen, die nicht mehr praxistauglich sind, etwa was Schnittzeiten für Heuernte betrifft. Die Natur hält sich nicht an Zeiten, die in Gesetzen festgeschrieben sind. Auch für Direktvermarkter gelten Vorgaben, die oft in keiner Verhältnismäßigkeit mehr stehen. Kontrollen und Strafen sind teils überbordend.
Kantinen sollen künftig die Herkunft ihrer Lebensmittel ausweisen müssen. Warum nicht auch die Gastronomie?
Die Gastronomie hat in den letzten Jahren ohnedies am meisten unter bürokratischen Auflagen gelitten, von der Allergen-Kennzeichnung bis zur Fritten-Verordnung und den Rauchverboten. Das muss ein Ende haben.