Rein formal gesehen lässt die neue Regierung das Thema Umwelt nicht zu kurz kommen. Weite Teile des Koalitionsprogramms nehmen auf den nötigen Abschied von den fossilen Brennstoffen Bezug, in den Umwelt- und Energiekapiteln finden sich mehrfach Bekenntnisse zum Klimaschutz und zu Österreichs CO2-Zielen. So deutlich hatte das noch keine angehende Koalitionsregierung zuvor gemacht.
Dass bei Umweltorganisationen dennoch Enttäuschung dominiert, liegt auch weniger an den formalen Öko-Zielen der Regierung. Vielmehr macht sich Zweifel an deren tatsächlicher Umsetzung breit, zumal der Rest des türkis-blauen Arbeitsprogramms den umweltpolitischen Versprechungen zuwiderlaufen könnte. „Nur in Form von Überschriften“ seien die Umwelt- und Energiepläne festgehalten, während sonst „quasi durchgehend Wirtschaftsinteressen“ Vorschub geleistet würde, kritisiert Leonore Gewessler, Geschäftsführerin von Global 2000. „Eine Retro-Umweltpolitik aus den Zeiten vor der Hainburg-Bewegung“ ortet gar Greenpeace-Sprecher Herwig Schuster.
Höhere Tempo-Limits, Straßenprojekte, Flugpiste
Wie ernst nimmt es die neue ÖVP-Umweltministerin Elisabeth Köstinger also mit den Ankündigungen, Österreich bis zur Mitte des Jahrhunderts von fossilen Energieträgern loslösen zu wollen? Genau diese Frage sei jetzt entscheidend, sagt Wirtschaftsforscher und Umweltexperte Stefan Schleicher: „Bei der neuen Ministerin liegt der Schlüssel, es wird spannend, wie innovationsfreudig sie dann tatsächlich ist.“ Denn aus dem Regierungsprogramm selbst lässt sich auch für Schleicher wenig ableiten, was für eine Wende zu mehr Klimaschutz sprechen würde: „Die einzelnen Kapitel harmonisieren nicht immer miteinander. Der Verkehrs- und Infrastrukturabschnitt etwa macht nicht gerade den Eindruck, dass man sehr ökologisch vorgehen will.“ So denkt der zuständige FPÖ-Minister Norbert Hofer über höhere Tempolimits auf Autobahnen nach, bekennt sich die Regierung ausdrücklich zur dritten Landepiste in Schwechat und plant, neue Straßenprojekte beschleunigt durch die Genehmigungsverfahren zu bringen.
Das ökologisch umstrittene Steuerprivileg für Diesel soll ebenso unangetastet bleiben wie das Spritpreisgefüge insgesamt. „Nimmt man die Klimaziele ernst, müsste man das Diesel-Privileg zuallererst beseitigen, danach wäre die gesamte Besteuerung bei Fahrzeugen neu aufzustellen“, sagt Schleicher. Geschehen ist derartiges über Jahre nicht, die CO2-Emissionen aus dem Verkehr sind seit 1990 um rund 60 Prozent explodiert.
Das Energieeffizienzgesetz, über das auch fossile Investitionen gefördert werden, steht laut Regierungsprogramm ebenso wenig zur Debatte. „Das Gesetz ist unwirksam und wäre schnellstmöglich zu novellieren“, sagt Schleicher. Nächster Schritt: die lange versprochene ökologische Steuerreform, die im türkis-blauen Programm nicht vorgesehen ist. Genauso wenig wie Änderungen bei den ökologisch wenig treffsicheren Instrumenten der Wohnbau- und Pendlerförderungen.
Außer Streit steht für die neue Regierung jedenfalls Österreichs Verpflichtung, die CO2-Emissionen bis 2030 um 36 Prozent zu senken. Die Weichen dafür, so meinen Experten einhellig, müssen in den nächsten Jahren gestellt werden.