Der WWF Österreich warnt nach ersten Analysen des ÖVP-FPÖ-Regierungsprogramms davor, dass die schwarz-blaue Koalition umweltschädliche Großprojekte schneller durchpeitschen will. "Wir sehen die große Gefahr, dass unter dem Deckmantel der Verfahrensbeschleunigung die Umweltstandards in Österreich gesenkt werden sollen. Dagegen werden wir entschieden auftreten", erklärte Hanna Simons vom WWF.
"Zubetonieren oder Klimaschützen? Die neue Umweltministerin wird sich sehr rasch entscheiden müssen, welcher Fraktion sie in Zukunft angehören will. Wer Umweltschutz ernst nimmt, darf keine umweltschädlichen Großprojekte forcieren und Bürgerbeteiligungsrechte aushebeln. Ansonsten wird unser wertvolles Naturerbe infrage gestellt", so die Leiterin der Natur- und Umweltschutzabteilung des WWF.
Das Wort Naturschutz kommt laut WWF im Regierungsprogramm genau einmal vor und dort auch nur in Verbindung mit schnelleren Betriebsanlagenverfahren. "Das ist überhaupt der rote Faden dieser Koalition. Während sich zu Natur und Umwelt oft nur schöne Bekenntnisse finden, sind die Pläne für das Durchpeitschen von Großprojekten bereits sehr konkret", meinte Simons. Sie verweist auf die umstrittene Staatszielbestimmung für den Wirtschaftsstandort, die dritte Piste am Wiener Flughafen, das geplante Standortentwicklungsgesetz - "ein direktes IV-Wunschprojekt" - sowie zahlreiche Vorhaben für Verfahrenskonzentrationen auch außerhalb der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP).
"Das könnte zulasten von Wasser- und Naturschutz gehen. Der Verdacht liegt nahe, dass die Koalition versucht, die Umweltstandards über die einzelnen Materiengesetze nach unten zu drücken." Heikle Fragen werfe auch die im Justizkapitel verankerte "Wirtschaftsgerichtsbarkeit mit dem Primat der Beschleunigung" auf.
Beim WWF verweist man auf den UVP-Bericht an den Nationalrat. Demnach wurden seit 2000 lediglich vier Prozent der UVP-Projekte nicht genehmigt, davon wurden drei Prozent inhaltlich abgewiesen und ein Prozent formal zurückgewiesen. Wieso man aufgrund einiger weniger besonders umstrittener Einzelprojekte ein ganzes System kippen wolle, erschließe sich also nicht wirklich, heißt es bei den Naturschützern.
Die Erfahrung zeige, dass Angriffe auf Umweltstandards immer dann kämen, wenn man sich vor den eigentlich notwendigen Reformen im System und im Föderalismus drücken will. Notwendig wäre etwa eine bessere Zusammenarbeit der unterschiedlichen Behörden sowie eine Qualitätsverbesserung bei den eingereichten Unterlagen.
Darüber hinaus ortet man viele Widersprüche im Regierungsprogramm. "Einerseits will die Koalition den ökologischen Zustand unserer Fließgewässer verbessern, andererseits im selben Kapitel weitere Verwaltungsvereinfachungen bei der Genehmigung des Ausbaus der Wasserkraft. Das passt nicht zusammen", so Simons. Der WWF appelliert daher an die neue Umweltministerin Elisabeth Köstinger, den möglichen Anschlag auf Umweltrechte zu stoppen und fordert die vollständige Umsetzung der 2005 ratifizierten Aarhus-Konvention. Österreich hat sich darin zum Rechtsschutz für die Öffentlichkeit in allen Umweltverfahren verpflichtet.
Positiv bewertet der WWF, dass die Regierung die Einrichtung von Natura-2000-Gebieten stärker koordinieren will. "Wenn dieser Ankündigung konkrete Taten folgen, ist das ein Schritt in die richtige Richtung, um die Front der unwilligen Länder aufzuweichen", so Simons. Ebenfalls wichtig ist, dass sich die Koalition dem Thema Bodenversiegelung und dem Erhalt der Insektenvielfalt annehmen will und ankündigt, mehr Geld für Nationalparks bereitzustellen.