Als neu angelobter Bundeskanzler wird Sebastian Kurz (ÖVP) zu seinem Antrittsbesuch am Dienstag nach Brüssel reisen. Dort sind am Abend Treffen mit EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vereinbart. Kurz wolle in Brüssel den klar pro-europäischen Kurs seiner ÖVP-FPÖ-Bundesregierung versichern, hieß es. Am Mittwoch tagt dann das Parlament.
Der genau Ablauf wächst sich nach Informationen der Kleinen Zeitung jetzt zu einem handfesten Eklat aus: Das Team Kurz ersuchte um Verständnis dafür, dass die Sitzung am Mittwoch erst um 14 Uhr beginnen könne, weil Kurz zuvor in Brüssel unabkömmlich sei, sprich sich mit Juncker und Tusk treffen müsse.
Allerdings: Nun stellte sich heraus, dass das Treffen mit diesen beiden schon am Dienstag stattfindet und am Mittwochvormittag "nur" Termine mit Journalisten geplant sind. Die Opposition schäumt: SPÖ-Klubchef Andreas Schieder, Neos-Chef Matthias Strolz und der Chef der Liste Pilz, Peter Kolba sind sich einig, dass es nicht angehe, dass das ganze Parlament von Kurz quasi "vorgeführt" werde.
Der späte Sitzungsbeginn hat nämlich zur Folge, dass die Sitzung bis in die Nacht hinein dauern würde, dass sie zum größten Teil unbemerkt von der Öffentlichkeit stattfinden würde und dass die neuen Minister gar keine Gelegenheit bekämen, sich vorzustellen.
Die drei Oppositionschefs sind nicht gewillt, sich das bieten zu lassen, zumal sie über die wahren Gründe getäuscht worden seien. "Ich frage mich, ob Sebastian Kurz und seine Leute uns bewusst angelogen haben", erklärt Strolz bei einer Kleine Zeitung-Diskussion der Oppositionsführer Sonntagmittags in der Wiener Redaktion.
In der Präsidiale, in der man ursprünglich zumindest einem Beginn erst um 13 Uhr zugestimmt hatte, will man nun noch einmal Tacheles reden: Kurz müsse bereits in aller Früh nach Wien zurückreisen, um einen früheren Beginn zu ermöglichen. Die Termine mit den Journalisten könnten wohl warten, so Strolz gegenüber der Kleinen Zeitung.
Verzicht auf Luxus
Kurz fliegt übrigens in der "Holzklasse", also mit der Linienmaschine in der Economy-Class nach Brüssel. Normalerweise nehmen Regierungschefs immer einen Bedarfsflieger. Und Economy, das geht schon gar nicht. Ab Montag wird Kurz als Kanzler dann auch ständig von Bodyguards begleitet. Im Wahlkampf mengte sich der Außenminister bis zuletzt ohne Hemmungen unters Volk - wobei das Ausmaß der Drängelei um Handy-Fotos mit dem Shootingstar oft fast schon bedrohliche Ausmaße annahm.
Ein wichtiger Punkt der Besprechungen zwischen Kurz und den Spitzen der EU-Institutionen wird den Angaben zufolge auch die Vorbereitung des österreichischen EU-Ratsvorsitzes im zweiten Halbjahr 2018 sein. Kurz wolle auch inhaltlich darlegen, wie die EU-Agenden unter seiner Kanzlerschaft vom Außenministerium in das Bundeskanzleramt verschoben werden, hieß es weiter.
Migration als Gesprächsthema
Mit EU-Ratspräsident Donald Tusk will Kurz den Angaben zufolge auch über Migration sprechen. Kurz hatte zuletzt Tusk in der Flüchtlingsfrage unterstützt. Er wies die Kritik des scheidenden Kanzlers Christian Kern (SPÖ) beim jüngsten EU-Gipfel an Tusk zurück. "Tusk hat Recht, wenn er sagt, dass verpflichtende Flüchtlingsquoten in der EU nicht funktioniert haben. Ich werde daher dafür eintreten, dass diese falsche Flüchtlingspolitik geändert wird", so Kurz.
Als Außenminister und ÖVP-Chef hatte Kurz Tusk und Juncker bereits im Oktober nach der Nationalratswahl in Brüssel besucht, um vor der Regierungsbildung mit der FPÖ einen pro-europäischen Kurs der nächsten Bundesregierung zu versichern.
Claudia Gigler