Scharfe Kritik nach der von ÖVP und FPÖ beschlossenen Aufweichung des geplanten Rauchverbots in der Gastronomie kam am Montagabend unter anderem von der Initiative "Ärzte gegen Raucherschäden". ÖVP-Vorsitzender Sebastian Kurz "hat den Gesundheitsschutz auf dem Altar der Tabakindustrie geopfert", hieß es in einer Aussendung.
Paul Sevelda, Präsident der Österreichischen Krebshilfe, ist nachhaltig empört. Für ihn ist der Schritt "in Wahrheit ein Verbrechen", wie er zum Kurier sagt. "Das ist die erste Bundesregierung in Österreich, der die Gesundheit der Bevölkerung egal ist."
"Von Strache über den Tisch ziehen lassen"
Problematisch sei für Sevelda vor allem, dass für Jugendliche zu wenig getan werde. Daran ändere auch das ins Spiel gebrachte Rauchverbot in privaten Pkw nichts. "Junge Menschen beginnen vor allem in Discos, Nachtklubs oder auf Zeltfesten zu rauchen", sagt Sevelda. Für ihn ist die Rücknahme des Verbots daher auch nicht mehr als ein "politisches Kleingeld, das auf Kosten der Mehrheit" gewechselt wird.
"Die Verbesserung des Jugendschutzes, die er (Kurz, Anm) als Feigenblatt verwendet, ist gar keine Bundeskompetenz und war schon früher von den Ländern beschlossen worden", hielten die Mediziner fest. Kurz habe gewusst, dass ÖVP-Landeshauptleute für die rauchfreie Gastronomie eintraten und habe sich von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache mit der Androhung einer Volksabstimmung zu CETA über den Tisch ziehen lassen.
Österreich hätte mit dem Rauchverbot ab Mai endlich seine Schlusslichtposition verlassen und seine Reputation verbessern können. Aber der Außenminister habe diese Chance nicht genutzt, sondern dem "nikotinsüchtigen Strache" in allen Punkten nachgegeben, beklagten die "Ärzte gegen Raucherschäden" - und baten, die Entscheidung zum Rauchverbot zu überdenken.
"Schlecht für Gesundheit der Österreicher"
"Das ist schlecht für die Gesundheit der Österreicher. Ärzte können nicht für das Rauchen sein", betonte der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, Thomas Szekeres, Montagnachmittag zu den Plänen der möglichen schwarz-blauen Regierungskoalition. US-Experte Stanton Glantz betonte, dass möglicher wirtschaftlicher Schaden für die Gastronomie wissenschaftlich längst ausgeschlossen werden konnte.
"Es ist nachgewiesen, dass nach generellen Rauchverboten in der Gastronomie zum Beispiel die Häufigkeit von Herzinfarkten zurückgegangen ist. Wir Ärzte müssen unsere Patienten und auch die Nichtraucher schützen", sagte Szekeres.
Für völlig obsolet hält der US-Kardiologie und kalifornische Anti-Rauch-Papst Stanton Glantz die Diskussionen rund um mögliche negative wirtschaftliche Effekte eines generellen Gastro-Rauchverbots: "Beverly Hills war die erste kalifornische Gemeinde, die ein generelles Rauchverbot verhängte. Den Gegnern gelang es schließlich, wieder eine Aufhebung des Verbots zu erreichen. Wir erhielten von den Steuerbehörden die Quartalsumsätze der Gastronomie und hatten dadurch zwei direkt vergleichbare Zeitperioden. Da stellte sich heraus, dass das Verbot bzw. die (vorübergehende; Anm.) Aufhebung keinen Effekt auf die Umsätze hatten. Sonst hätte es nach der Rücknahme des generellen Verbots zum Beispiel in Beverly Hills einen Anstieg der Umsätze geben müssen. Das war nicht der Fall." Die entsprechende wissenschaftliche Studie publizierte Glantz bereits im Jahr 1994.
Das Ausbleiben von negativen wirtschaftlichen Effekten sei mittlerweile in vielen Dutzend Studien nachgewiesen, betonte Glantz. "Die einzigen, die das zeigten, waren von der Tabakindustrie gesponsert. Und insgesamt machte das generelle Rauchverbot die Lokale ertragreicher, weil sie zum Beispiel weniger oft ausmalen müssen und weniger an Prämien für die Brandversicherung zahlen müssen."
"Das ist eine Verschlechterung gegenüber dem derzeitigen Stand, weil die Wirte in Österreich offenbar nicht mehr nur bis zu einer Grundfläche des Lokals von 50 Quadratmetern sondern bis zu 75 Quadratmetern entscheiden dürfen sollen, ob sie ein 'Rauchlokal' haben wollen oder nicht", sagte der Wiener Umweltmediziner Manfred Neuberger von der Initiative Ärzte gegen Raucherschäden. Der versprochene stärkere Schutz der Jugendlichen mit Anhebung des Alterslimits für das Rauchen von 16 auf 18 Jahre sei schlicht und einfach ein "Feigenblatt". "Das haben nämlich die Bundesländer längst beschlossen."
Sima will Aufhebungs-Gesetz rechtlich aushebeln
Die Wiener Umweltstadträtin UIli Sima (SPÖ) erwägt eine Klage gegen das Gesetz, mit dem Schwarz-Blau das Rauchverbot aufheben will. "Wir werden versuchen, das rechtlich auszuhebeln", sagte sie zur "Presse". Das ab Mai 2018 vorgesehen Rauchverbot dürfe wegen der Rechtssicherheit für Gastronomen und der Gesundheit von Gästen und Personal nicht gekippt werden.