Im Rahmen der schwarz-blauen Koalitionsverhandlungen geht es auch um das ehemals von der ÖVP mitbeschlossene Rauchverbot in der Gastronomie. "Die Verhinderung dieser Maßnahme wäre ein Wahnsinn. Das ist gegen jeden wissenschaftlichen Beweis und gegen Österreichs Unterschrift unter die WHO-Rahmenkonvention zur Tabakkontrolle", sagte Montag der Lungenkrebsspezialist Robert Pirker gegenüber der APA.
"Erkrankung zerstört ganze Familien"
"85 Prozent der Lungenkrebserkrankungen in Österreich sind auf das Rauchen zurückzuführen und wären somit vermeidbar. Ich sehe jeden Tag Tragödien. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei Lungenkarzinomen beträgt nur 15 Prozent. Die Erkrankung zerstört ganze Familien, weil die Kinder dann ohne Mutter oder Vater aufwachsen müssen. Jeder zweite Raucher stirbt vorzeitig", sagte Pirker, seit vielen Jahren Lungenkarzinomspezialist an der Klinischen Abteilung für Onkologie von MedUni Wien und AKH. Er hatte im Dezember 2016 auch die Welt-Lungenkrebs-Konferenz nach Wien gebracht.
Es gebe keinerlei Rechtfertigung für ein Nachlassen in den Bemühungen, das Rauchen in Österreich zurückzudrängen. "Man kann doch nicht jungen Menschen Zugang zu einem Suchtgift ermöglichen und sie abhängig machen. Die ganze Welt weiß, wie sehr das Rauchen schädigt, nur wir in Österreich wollen offenbar gegen den Strom schwimmen. In der britischen Medizin-Fachzeitschrift 'The Lancet' wurden Anfang 2017 Zahlen zitiert, wonach das Rauchen weltweit pro Jahr 1.000 Milliarden US-Dollar an Schäden verursacht. Das machen der Produktivitätsverlust und die Gesundheitskosten durch die Erkrankungen aus. Dem stehen 269 Milliarden US-Dollar an Steuereinnahmen aus dem Tabakverkauf entgegen. Da kann man doch nicht aus wirtschaftlichem Interesse für das Rauchen sein", betonte der Onkologe.
Die aktuelle Diskussion schädige darüber hinaus den Ruf Österreichs insgesamt, gleichzeitig die österreichische medizinische Wissenschaft und den Standort Österreich, führte Pirker an. "Ich bekomme ständig kritische Stellungnahmen von Kollegen aus dem Ausland. Ein führender Spezialist aus Polen hat mir mitgeteilt, dass er zum Skifahren nicht mehr nach Tirol fährt, sondern nach Südtirol in Italien ausweicht. Ob aus Stanford in den USA oder aus anderen Staaten, alle fragen sich, was denn da in Österreich los ist und warum man hier so lax mit dem Rauchen umgeht."
Patienten haben keine Lobby
Negativer Einfluss auf den Wissenschafts-Standort sei genauso zu erwarten, so Pirker. "Mir ist es gerade erst gelungen, von der Welt-Lungenkrebs-Konferenz, die einmal in Amerika, einmal in Asien und dann wieder in Europa stattfindet, zumindest jeden zweiten Kongress in Europa nach Wien zu bringen. Alternierend wird das in Barcelona sein. Man kann sich vorstehen, was geschieht, wenn das Gastronomie-Rauchverbot generell nicht kommt. In Wien waren zuletzt rund 6.000 Teilnehmer, welche Gäste von Hotels und Gastronomie waren."
Ein Problem sei, dass die Lungenkrebspatienten keine Lobby hätten. "Menschen mit niedrigem Bildungsniveau rauchen öfter. Bekommen die Raucher dann Lungenkrebs, sterben sie schnell. Und die 15 Prozent, die überleben, wollen mit der Krankheit nichts mehr zu tun haben. Bei Brustkrebs überleben hingegen rund 80 Prozent der Betroffenen, da können sich längerfristig viel mehr Patientinnen für ihre Anliegen engagieren", sagte Pirker.
Überhaupt müsse Österreich entschieden handeln. "Wir müssen internationale Konventionen einhalten und dadurch insbesondere Kinder und Jugendliche vom Rauchen abhalten", betonte der Onkologe. Pro Jahr werden in Österreich rund 4.000 Lungenkrebserkrankungen registriert. Lungenkrebs hat als Todesursache bei Frauen in den vergangenen zehn Jahren stark zugenommen (plus 18 Prozent). 2016 hat er den Brustkrebs als Krebserkrankung mit dem höchsten Sterberisiko bei Frauen abgelöst, geht aus den aktuellen Daten der Statistik Austria hervor.
Steigende Raucherquoten bei Frauen
Diese Entwicklung ist eine Folge steigender Raucherquoten bei Frauen. Insgesamt starben 1534 Frauen im Alter von durchschnittlich 70,2 Jahren an Lungenkrebs, der 2016 erstmals den ersten Platz beim Krebs-Sterberisiko bei Frauen (32,9 auf 100.000 Frauen) einnahm, noch knapp vor der Sterblichkeit an Brustkrebs (32,4 auf 100.000 Frauen).
Damit rangierte Lungenkrebs sowohl bei Männern als auch erstmalig bei Frauen an oberster Stelle der Krebssterblichkeit. Insgesamt 2.415 Männer erlagen 2016 dieser Erkrankung, sie waren durchschnittlich 70,7 Jahre alt. Die Statistik Austria stellte diese Entwicklung in einen Zusammenhang mit dem geänderten Tabakkonsum: 1972 rauchten 39 Prozent der männlichen und zehn Prozent der weiblichen Bevölkerung täglich. Bei Männern nahm der Anteil bis 2014 auf 27 Prozent ab, jener der Raucherinnen stieg auf 22 Prozent.