Die Verhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ gehen in die heiße Phase, eine Einigung stehe bald bevor, heißt es. Doch während die Parteien um letzte große Themenbrocken feilschen, hagelt es Kritik an bisher präsentierten Einigungen. Vor allem die gestern verkündete Ermöglichung eines 12-Stunden-Tages sowie das Vorhaben, Eltern von Schulschwänzern die Sozialbezüge zu kürzen, stößt auf deutliche Kritik.

12-Stunden-Tag als Aufreger

Die türkis-blauen Verhandler wurden sich gestern - ohne Einbezug der Sozialpartner - einig, die maximale Arbeitszeit fallweise auf 12 Stunden zu erhöhen. Damit sollen auch 60-Stunden-Arbeitswochen möglich werden. Das stößt bei Gewerkschaftern und Arbeitnehmervertretern jedoch auf heftigen Gegenwind.

Für FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache war ein 12-Stunden-Arbeitstag im Jahr 2013 noch "eine asoziale, leistungsfeindliche Idee, da dies für alle Arbeitnehmer Nettolohnverluste bedeuten würde". Weiters führte er im "Kurier" vom 17. September 2013 aus: "Jeder arbeitende Mensch hat es sich verdient, wenn er mehr als acht Stunden am Tag arbeitet, diese Mehrstunden als Überstunden ausbezahlt zu erhalten. Ich möchte darüber hinaus die Überstundenbesteuerung abschaffen, damit Leistung sich wieder lohnt."

Details noch offen

Die von ÖVP und FPÖ geplante Möglichkeit eines 12-Stunden-Arbeitstages ohne Streichung der Überstundenzuschläge ist für Martin Risak, Arbeitsrechtsexperte der Uni Wien, ein Widerspruch, der aufgelöst werden müsse. Denn würde künftig die 11. und 12. Arbeitsstunde zur Normalarbeitszeit, dann falle auch der Überstundenzuschlag weg. Allerdings sei in diesem Punkt noch einiges offen.

"Der Teufel steckt im Detail", so Risak am Donnerstag im "Ö1-Mittagsjournal". Im übrigen sei derzeit die Zahl der Überstunden gedeckelt, was bei einer Ausdehnung des derzeit zehnstündigen Arbeitstages auf 12 Stunden - bei vollen Überstundenzuschlägen - zu berücksichtigen wäre. Außerdem sei es ohnehin seit 2012 erlaubt, zwölf Stunden am Stück zu arbeiten.


ÖVP und FPÖ liegen mit ihren Plänen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit eigentlich auf einer ähnlichen Linie, wie der von SPÖ-Chef und Noch-Bundeskanzler Christian Kern Anfang des Jahres vorgelegte Plan A. Auch der SPÖ-Chef hatte die Möglichkeit eines 12-Stunden-Arbeitstags zur Bewältigung besonderer Produktionsspitzen im Programm.

SPÖ und ÖVP lagerten dieses Thema aber schließlich an die Sozialpartner aus. Während sich diese vor dem Sommer auf eine Anhebung der Mindestlöhne einigen konnten, scheiterte eine Neuregelung der Arbeitszeitflexibilisierung am Widerstand der Gewerkschaften.

"Rückschritt ins 19. Jahrhundert"

Der Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich, Johann Kalliauer, zeigte sich im Ö1-Morgenjournal "enttäuscht" über die Ankündigung. Diese "erste konkrete Maßnahme" sei ein "massiver Angriff auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer". Es unterstellte der zukünftigen Regierung, mit dem Vorhaben die 60-Stunden-Woche zur Realität machen zu wollen. Das sei "ein Rückschritt ins 19. Jahrhundert".

Dass Entscheidungen wie diese künftig ohne Sozialpartner durchgesetzt werden sollen, sieht der AK-Präsident naturgemäß kritisch. Man habe bereits in der Vergangenheit gesehen, dass es "immer klüger" sei, die Sozialpartner miteinzubeziehen. Tut das die neue Regierung nicht, werde es zu "Verschärfungen und Auseinandersetzungen kommen". Dem Arbeitnehmer jetzt den 12-Stunden-Tag "hinzuknallen" sei jedenfalls "ein starkes Stück". 

"Großspender haben ihr Ziel erreicht"

Für die Produktionsgewerkschaft ProGe ist diese Erfüllung einer langjährigen Arbeitgeber-Forderung unter anderem ein Ergebnis der Großspenden aus der Wirtschaft für den Nationalrats-Wahlkampf von Sebastian Kurz (ÖVP).

"Die industriellen Wahlkampf-Großspender der türkisen ÖVP haben ihr Ziel nun erreicht", so ProGe-Vorsitzender Rainer Wimmer am Donnerstag in einer Aussendung. Er befürchtet, dass der 12-Stunden-Tag nicht die Ausnahme, sondern die Regel werden wird.

Für Wolfgang Katzian, Vorsitzender der FSG (Fraktion der Sozialdemokratischen GewerkschafterInnen), bedeuten die Pläne von ÖVP und FPÖ "mehr Arbeit für weniger Geld". Eine Ausdehnung der Arbeitszeit berge die Gefahr, dass Unternehmen die Überstunden zur Regel machten und in Folge die Überstundenzuschläge streichen könnten. Katzians Vermutung: "Die Parteispenden diverser Großindustrieller im Wahlkampf müssen sich offenbar rentieren, jetzt werden Unternehmer offensichtlich schnell bedient. Was bisher auf Augenhöhe mit den Sozialpartnern vereinbart wurde, soll nun diktiert werden, ohne Rücksicht auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer."

Der steirische Landeshauptmann-Stv. Michael Schickhofer (SPÖ) verweist auf die dadurch schwieriger werdende Vereinbarkeit von Beruf und Familie: "Natürlich werden vor allem viele Frauen in Zukunft zwölf Stunden arbeiten müssen - obwohl gerade die Frauen sehr oft den Kinderbetreuungspflichten nachkommen oder den Haushalt neben ihrem Job erledigen. Was haben die Frauen davon, wenn es in der ohnehin stressigen Weihnachtszeit heißt: 'Jetzt musst Du 60 Stunden arbeiten. Du kannst dann eh im Jänner am Dienstag und Mittwoch daheim bleiben.'"

Verfassungsrechtliche Bedenken beim Thema Bildung

Geht es nach den Koalitionsverhandlern, soll es für Eltern von Kindern, die der Schule mehrfach fernbleiben, in Zukunft eng werden. Denn ihnen soll die Streichung von Beihilfen und Sozialleistungen drohen, wenn sie oder ihre Kinder nicht am schulischen Geschehen mitwirken, kündigten ÖVP und FPÖ an.

Doch Juristen äußern hier vor allem verfassungsrechtliche Bedenken. Im Ö1-Morgenjournal erklärte der Sozialrechtler Walter Pfeil von der Universität Salzburg, dass damit Sozialleistungen mit einer entsprechenden Leistung verknüpft werden müssten. "Wir haben in Österreich aber keine sozialrechtliche Verpflichtung, dass Sozialleistungen in einer gewissen Höhe gewährt werden." Sollten Bezüge gekürzt werden, wenn Eltern "beispielsweise nicht zum Elternsprechtag gehen", dann "ist das schon sehr zweifelhaft", ob das "nicht eine verfassungswidrige Regelung darstellt", erklärt der Jurist.

Selbst bei mehrfachem Fernbleiben des Unterrichts sieht Pfeil keine rechtliche Handhabe. Auch nicht dann, wenn Eltern die Lehrer nicht ernst nehmen. Hier wird oft der Fall von muslimischen Vätern genannt, die mit der Lehrerin ihres Kindes nicht reden. Das sei laut Pfeil zwar "bedauerlich" und schlecht für die Kinder, die Bezüge deshalb zu kürzen erscheine Pfeil jedoch "sehr zweifelhaft".

Anders könnte die Sache jedoch aussehen, wenn die Eltern ihre Kinder bewusst daheim lassen. Dann sei die Sache "sicher anders zu bewerten", erklärt Pfeil

Wie die "Zeit im Bild" berichtet, wird nun auch Kritik an den Umweltplänen von ÖVP und FPÖ laut.

Gastronomie erhöht Druck beim Thema Rauchverbot

Einige Gastronomen hatten sich unlängst bei einer Informationsveranstaltung gegen die Umsetzung des beschlossenen Rauchverbots in Lokalen ausgesprochen. Mit dieser Forderung sprechen sie allerdings nicht für alle: Die Mehrheit der Wirte würde mittlerweile ein umfassendes Rauchverbot ohne Hintertürchen befürworten, betonte die Initiative für gesunden Wettbewerb in der Gastronomie.

"Es kann nicht sein und es ist rechtlich bedenklich, dass Lokale, die in den letzten Jahren im Vertrauen auf ein Rauchverbot umgestellt haben, dafür bestraft werden", argumentierte Peter Tappler, Innenraumklimatologe und Obmann der Initiative, die nach eigenen Angaben auf die Erfahrung zahlreicher Wirte zurückgreifen kann. Sollte das Tabakgesetz wieder geändert werden, drohe eine Flut an Klagen. Denn zahlreiche Lokalbesitzer hätten in Hinblick auf das kommende Rauchverbot die Prämie für eine vorzeitige Umstellung auf "qualmfrei" in Anspruch genommen und ihre teuren Zwischenwände abgebaut.

Wenn nun doch weiter geraucht werden dürfe, befürchten diese Wirte einen Wettbewerbsnachteil. "Wir werden sicher auf Einhaltung des Vertrauensschutzes klagen", kündigte laut Initiative ein Gastronom aus Wien-Neubau an, der anonym bleiben will. Tappler prognostizierte im Gespräch mit der APA im Fall einer erneuten Änderung des Gesetzes ein "juristisches Chaos".

Als weiteren Beleg für den Wunsch einer Umsetzung des beschlossenen Tabakgesetzes zitierte die Initiative aus einer Befragung der Sparte Tourismus in der Wirtschaftskammer Vorarlberg von 469 Gastronomen und Hoteliers im Ländle vom März des Jahres: 66 Prozent der Wirte gaben an, bereits auf "rauchfrei" umgestellt zu haben. Von diesen hätten 83 Prozent über positive und nur drei Prozent über negative Erfahrungen berichtet (14 Prozent: gemischt).