Kritik am gestern präsentierten Umweltprogramm der Koalitionsverhandler übten die Umweltschutzorganisationen. "Statt eines Umweltprogramms hat Schwarz-Blau heute eine Wunschliste ans Christkind vorgelegt", hieß es etwa in einer Aussendung von Greenpeace. Es handle sich "um schöne Überschriften, aber ohne jegliche Substanz". Konkrete Ziele, Maßnahmen und Zeitpläne fehlten zur Gänze. Dadurch würden sich die Koalitionsverhandler jeglicher Überprüfbarkeit und damit auch der politischen Verantwortung entziehen, so Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit. Er vermisst etwa beim Ziel, bis 2030 auf erneuerbare Energien umzusteigen, konkrete Schritte.

Auch WWF-Energiesprecher Karl Schellmann warnte davor, dass das Bekenntnis zu 100 Prozent erneuerbarem Strom bis 2030 ohne Maßnahmen "nur ein Marketing-Gag" bleiben könnte. Hanna Simons, Leiterin der Natur- und Umweltschutzabteilung im WWF Österreich, sieht im Programm der schwarz-blauen Koalitionsverhandler eine "verpasste Chance". "Das gesamte Energie- und Klimaprogramm muss ambitionierter und konkreter aufgesetzt werden. Auch im Natur- und Umweltschutz bleibt noch vieles vage", erklärte sie. Und die NGO Global 2000 sieht die klima- und umweltpolitischen Ziele etwa durch das bereits präsentierte Infrastrukturpaket konterkariert, welches "die umweltschädlichsten Projekte, wie den Ausbau von Flughäfen", zum Inhalt habe.

Die sogenannte "Steuerungsgruppe" der Chefverhandler hat sich am Freitag zum vierten Mal in dieser Woche getroffen.  Auf den 20. Dezember als Tag der Angelobung einer neuen Regierung angesprochen betonte sie, dass Qualität im Vordergrund stehe, der 20. biete sich jedoch an. Sollte dieser angepeilte Zeitplan nicht halten, könnte die Angelobung auch am 8. Jänner stattfinden, hieß es aus Verhandlerkreisen.

Während die Verhandler von ÖVP und FPÖ sich am Freitag zu Personalia weiterhin bedeckt hielten, verkündeten Köstinger und Hofer nach der Runde der "Steuerungsgruppe" am Nachmittag ihre Vorhaben im Umweltbereich. Danach gefragt, ob sie vielleicht das Umwelt-Ressort übernehmen wird, meinte Köstinger: "Diese Frage stellt sich nicht", jetzt sei sie Nationalratspräsidentin.

Die Pläne der Koalitionsverhandler sehen vor, dass bis zum Jahr 2030 der gesamte Strom in Österreich aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Österreich soll zu einem "Vorreiter" in der modernen Umwelttechnologie gemacht werden, so Köstinger, als Basis hierfür soll eine nationale Klima- und Energiestrategie dienen, die nun rasch erarbeitet und umgesetzt werden soll.

Ein Schwerpunkt der Strategie soll auch die Fortsetzung der Anti-Atompolitik sein. "Wir wollen auch nicht, dass andere Länder auf diese Todestechnik setzen", sagte dazu Hofer, der die Brexit-Verhandlungen für eine Überarbeitung des Euratom-Vertrags nutzen will.

Punkto Klimaschutz sehen die schwarz-blauen Pläne vor, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 16 Prozent zu reduzieren und bis 2030 ein Minus von 36 Prozent gegenüber 2005 zu erreichen. Erarbeitet werden soll darüber hinaus - in Abstimmung mit den Gebietskörperschaften - ein Raumordnungskonzept. Denn der Flächenverbau sei ein "großes Thema". Die Kompetenz der Widmung werde aber weiterhin auf Gemeindeebene bleiben, versicherte Köstinger.

Hofer - der als künftiger Infrastrukturminister gehandelt wird - erklärte darüber hinaus, man habe ein Bekenntnis zum Individualverkehr abgegeben; gleichzeitig aber solle der öffentliche Verkehr ausgebaut werden, denn gerade im ländlichen Raum fehle es oft daran.

Über das Wochenende finden keine öffentlichen Termine der Steuerungsgruppe statt. Weiter geht es am Montag wieder im Palais Epstein mit Medienstatements, die genaue Uhrzeit stand am Freitag noch nicht fest. In den nächsten Tagen werde die Steuerungsgruppe intensiv weiterarbeiten und bei einzelnen Punkten dürfte dies angesichts so mancher "Dissenspunkte" wohl länger dauern, meinte Hofer.

Keine Bestätigung gab es seitens der Koalitionsverhandler unterdessen für eine Meldung des "Standard" (Online-Ausgabe) vom Freitagnachmittag, wonach die Verhandler eine "Entmachtung" der Krankenkassen planen. Demnach sollen die Kassen künftig nicht mehr für die Einhebung von Versicherungsbeiträgen sowie für deren Überprüfung zuständig sein. Diese Kompetenzen sollen bei der Finanz angedockt werden, schreibt der "Standard".