Der Medienmanager und Sozialdemokrat Gerhard Zeiler übt Kritik an seiner Partei. Die SPÖ habe vor der Nationalratswahl zu wenig auf Veränderung gesetzt, ließ Zeiler Donnerstagabend beim Mediengipfel in Lech am Arlberg anklingen. ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz habe hingegen mit seiner Aussage, "Es ist Zeit, neue Wege zu gehen", die Befindlichkeiten der Bevölkerung auf den Punkt getroffen.
Er würde zwar andere Wege als Kurz gehen, die Gründe für das Wahlergebnis liegen laut Zeiler aber auf der Hand: Da gab es jene, die 40 Stunden arbeiten, aber zu wenig zum Leben haben, die Wohlsituierten, die in Sorge sind, weil es den Kindern einmal nicht so gut geht, jene, die zornig auf das System sind, weil sie keine Arbeit haben, und jene, die Angst vor kultureller Überfremdung empfinden.
Die Sozialdemokratie sei in Europa jedenfalls immer dann erfolgreich gewesen und habe Wahlen gewonnen, wenn man verändern und reformieren wollte. Das sei beim früheren britischen Premierminister Tony Blair oder beim französischen Staatspräsidenten Francois Mitterrand der Fall gewesen. Die Ansage, dass alles so bleiben soll, wie es ist, führe hingegen nirgendwo hin, so Zeiler, der einst Pressesprecher der SPÖ-Kanzler Fred Sinowatz und Franz Vranitzky war, danach ORF-Generalintendant, Chef der RTL-Sendergruppe und seit 2012 Präsident von Turner Broadcasting System International.
"Unser Staat ist kein schlankes Rehlein"
Der legendäre SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky habe Anfang der 1970er-Jahre die Wahl mit dem Programm "Leistung, Aufstieg, Sicherheit" gewonnen. "Diese drei Begriffe würde man heute im Parteienspektrum eher nicht der SPÖ zuschreiben", kritisierte Zeiler. Seiner Partei empfahl der Medienmanager Veränderung mit sozialer Komponente. "Unser Staat ist kein schlankes Rehlein", zitierte Zeiler aus einem Interview von SPÖ-Chef und Noch-Kanzler Christian Kern. "Da gebe ich ihm recht. Der österreichische Staat sieht eher wie ein Sumoringer aus", so Zeiler. In der Verwaltung könnten Milliarden eingespart werden, die im Bildungssystem dringend gebraucht würden. "Jeder sagt, verändern ist gut, aber bitte nicht bei mir." In Richtung Sebastian Kurz gebe es nun die "große Erwartungshaltung", diese Veränderungen anzugehen und umzusetzen.
Angst vor Schwarz-Blau habe er jedenfalls nicht. "Dass eine schwarz-blaue Regierung nicht meine Wunschregierung ist, ist klar, aber so groß ist mein Schrecken nicht, dass ich mich davor fürchte." Die künftige ÖVP-FPÖ-Regierung warnte Zeiler davor, den ORF zu zerschlagen. "Der ORF ist das einzige Leitmedium Österreichs. Wenn man den ORF zerstört, dann gibt es kein Leitmedium. Auch der ORF muss aus seiner Sumoringer-Bürokratie heraus und in Digital investieren. Zerstören darf man diesen ORF nicht und zum Staatsfunk darf man ihn auch nicht machen." Diesbezüglich habe er mehr Vertrauen in die ÖVP als in die FPÖ.
Macht der Medien nicht unterschätzen
Überhaupt rät der Turner-Manager zu einem entspannten Verhältnis zwischen Politik und Medien. "Ich war nie der Meinung, dass die Angst der Politik vor den Medien berechtigt ist, weder in Amerika, noch in Deutschland, noch in Vorarlberg. Die Macht der Medien darf man nicht überschätzen. Wichtig ist, dass die Medien unabhängig von der Politik sind, Politiker aber auch unabhängig von den Medien." Die Politik solle sich bei ihrem Tun nicht auf die Medien ausreden. Die Politik habe selbst dafür zu sorgen, dass die Menschen wissen, in welche Richtung es geht. Die politischen Eliten müssten Zukunftsperspektiven und Optimismus bieten.
In Sachen Brexit hat Zeiler, der die Turner-Geschicke von London aus leitet, übrigens noch Hoffnung. Er rechnet nicht mit einem harten Austritt und glaubt sogar, dass Großbritannien in der Europäischen Union bleiben könnte. Ein Austritt 2019 gehe technisch und rechtlich gar nicht. Laut Zeiler würde es dann von einem Tag auf den anderen keine Flüge mehr aus der EU nach Großbritannien geben. Auch die Lebensmittelversorgung Großbritanniens, die zu 40 Prozent aus anderen EU-Ländern erfolgt, wäre gefährdet. "Es kann bis 2019 gar keinen Brexit geben." Zeiler rechnet mit einer längeren Übergangsphase. 2021/2022 könnte es dann unter einer vernünftigen neuen Koalition ein weiteres Referendum geben. "Das geht dann hoffentlich anders aus."