Der für 12. Dezember geplante Beginn des Prozesses gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und 14 weitere Angeklagte wackelt. Wenige Stunden davor, am Nachmittag des 11. Dezembers, befasst sich nämlich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit einer Zuständigkeitsfrage, die auch auf den Grasser-Prozess ausstrahlen kann.
Der OGH hat für den 11. Dezember um 14.30 Uhr einen öffentlichen Gerichtstag angesetzt. Da soll die von der Generalprokuratur eingebrachte "Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes" behandelt werden, nämlich eine Rechtsfrage über die Richterin-Zuständigkeit im Villa Esmara-Prozess. Dort ist Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics angeklagt, der auch im Buwog-Verfahren vor eine Richterin treten soll.
Richterinnen-Wechsel möglich
Falls für Petrikovics im Villa-Esmara-Verfahren weiterhin Richterin Marion Hohenecker zuständig ist, ändert sich für den Buwog-Prozess, für den ja wegen dieser Verbindung Hohenecker zugeteilt wurde, nichts. Sollte aber der OGH Petrikovics zu einer anderen Richterin verweisen, dürfte dies massive Konsequenzen für den Buwog-Prozess haben, nämlich ebenfalls einen Richterinnen-Wechsel, so Experten.
Denn Hohenecker urteilte in erster Instanz im Villa Esmara-Prozess nicht über Petrikovics, weil er verhandlungsunfähig war. Der von ihr Verurteilte mitangeklagte Ronald Leitgeb hat gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt, das Urteil wurde aufgehoben und eine andere Richterin, Caroline Csarmann, wurde in erster Instanz neu für Leitgeb zuständig. Petrikovics ist mittlerweile wieder verhandlungsfähig - aber vor welcher Richterin?
Der Grasser-Prozess soll am 12. Dezember beginnen. Sollte sich die Richterin-Zuständigkeit ändern, könnte dies quasi in letzter Minute vor Prozessbeginn klargestellt werden. Dann müsste eine neue Richterin bestellt und der Prozessbeginn verschoben werden.
"Negativ-Höhepunkt"
Für Grassers Anwalt Manfred Ainedter ist die Unsicherheit "unfassbar", wie er am Mittwoch bei einer Pressekonferenz sagte. Für den Verteidiger Grassers ist dies ein "neuer Höhepunkt in der Pleiten-, Pech- und Pannenserie" rund um das Verfahren, sagte er bei einer Pressekonferenz. Ainedter kündigte an, er werde persönlich zum Gerichtstag des OGH am 11. Dezember kommen.
Ainedter und Grassers zweiter Anwalt Norbert Wess präsentierten heute vor Journalisten ein Gutachten, das eine mediale Vorverurteilung und Rufmord an Grasser sowie den Mitangeklagten Walter Meischberger und Ernst Plech ortet. Der deutsche Anwalt Ralf Höcker wirft den Medien darin "Vorverurteilung" und "Rufmord" vor, wie er bei einer Pressekonferenz in Wien erläuterte. Das Gutachten wurde auf Auftrag von Grasser, Meischberger und Plech erstellt.
Es gebe keinen anderem Fall, in dem über acht Jahre lang eindeutig vorverurteilt worden sei, empörte sich Höcker. Staatliche Medien, Künstler und staatliche Hochschulen hätten da mitgemacht. Die Journalisten hätten das "politische Ziel" gehabt, "bestimmte Personen in den Knast zu schreiben", sagte er. Dadurch sei ein "Ermittlungsdruck auf die Behörden" ausgelöst worden, und jetzt ein "Verurteilungsdruck", sagte der Anwalt.
Die Sprecherin des Wiener Straflandesgerichts, Christina Salzborn, will auf APA-Anfrage die Pressekonferenz der Grasser-Anwälte nicht kommentieren. Es sei das Recht der Anwälte und gehöre wohl zu "Litigation PR", meinte sie. Allerdings sollten sie auch zur Kenntnis nehmen, dass etwa Meischberger und der Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly in Verfahren freigesprochen wurden. Die Anwälte hatten bezweifelt, ob unter den Umständen der von ihnen georteten "medialen Vorverurteilung" in Österreich überhaupt ein faires Verfahren gegen Grasser, Meischberger und Plech möglich sei.