Bei den Grünen geht die große Angst um: dass man bei der Bewertung der Stimmung in der Bevölkerung einer solchen Fehleinschätzung unterliegt wie die Bundesgrünen, die bis zuletzt gedacht hatten, sie würden bei der Nationalratswahl am 15. Oktober wegen der Kandidatur von Peter Pilz zwar Stimmen verlieren, aber mit ziemlicher Sicherheit auch dem nächsten Nationalrat angehören. Nach Auszählung aller Stimmen lag man bei vernichtenden 3,8 Prozent – und musste die Sachen packen.
Nun werden zwar in Wien die Karten erst 2020 neu gemischt. Auch stellt Pilz, der in der grünen Hochburg Wien die mit Abstand besten Ergebnisse einfuhr, nach den Anschuldigungen um sexuelle Übergriffe – aus heutiger Sicht – keine Konkurrenz mehr für die Landtagswahlen in drei Jahren dar. Andererseits hat der Koalitionspartner im Wiener Rathaus, Michael Häupl, vorexerziert, wie fatal es ist, wenn man als erfolgreicher, machtvoller Politiker den richtigen Zeitpunkt für die Hofübergabe verpasst. Die Häupl-Nachfolge entscheidet sich bei einer Kampfabstimmung am 27. Jänner.
Vassilakou war zuletzt mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Eine Gruppe um den grünen Klubchef in der Inneren Stadt und Heumarkt-Gegner der ersten Stunde, Alexander Hirschenhauser, hatte dazu einen Antrag angekündigt. Dass sich eine Mehrheit der grünen Basis gegen das Hochhausprojekt am Heumarkt ausgesprochen hatte, die grüne Stadtregierung das Vorhaben im Stadtsenat dann doch absegnete, heizte die schwelende Führungskrise erst richtig an.
Um den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, verspricht die Wiener Parteispitze einen „Neubeginn“, dem eine Debatte „ohne Tabus und Scheuklappen“ vorangehen soll. Hinterfragt wird auch die basisdemokratische Listenerstellung, die auf Bundesebene zu den Verwerfungen mit Pilz geführt hatte. Insider gehen davon aus, dass Vassilakou nicht mit der baldigen Demontage rechnen muss. Dass sie im Jahr 2020 wieder als Spitzenkandidatin aufgestellt wird, scheint aber wenig wahrscheinlich zu sein.
Nervosität herrscht allerdings auch bei jenen vier grünen Landesorganisationen, die bereits im nächsten Jahr Wahlen zu schlagen haben. In allen vier Bundesländern droht den Grünen im Frühjahr 2018 ein Minus – in Salzburg, weil man 2013 mit 20,2 Prozent ein nie mehr zu wiederholendes Rekordergebnis einfuhr, in Kärnten wegen der internen Querelen. In Tirol und Niederösterreich liegt die Latte mit 12,6 und 8,1 Prozent besonders hoch.