"Süddeutsche" (München)
"Nur drei Wochen liegen zwischen Triumph und Absturz. Nach der Parlamentswahl in Österreich hat sich Peter Pilz noch feiern lassen und angekündigt, als Speerspitze der linken Opposition gegen das geplante rechte Regierungsbündnis anzutreten. Nun aber zieht er nicht in den Kampf, sondern er zieht sich aus dem Parlament zurück - nach Vorwürfen der sexuellen Belästigung. Um Pilz selbst, der trotz Erinnerungslücken immerhin männliche Hybris eingeräumt hat, muss es einem nicht leidtun. Um Österreichs politisches System aber schon.
Denn Pilz, der sich immer so gern als Saubermann und Aufklärer inszenierte, hinterlässt ein veritables Trümmerfeld. Erst hat er die von ihm einst mitgegründeten Grünen miterledigt. Sein Egotrip, bei dieser Wahl mit der eigenen "Liste Peter Pilz" anzutreten, hat die Öko-Partei aus dem Parlament katapultiert. Stattdessen nimmt dort nun ein führungsloser Trupp Platz, den Pilz um sich geschart hat.
Für den neu gewählten Nationalrat, der am Donnerstag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommt, ist das ein übles Vorzeichen. Denn eigentlich verlangt die geplante Rechtsregierung aus Volkspartei und FPÖ nach einer starken linken Opposition. Doch nun steht ihr im Parlament ein geschlagener SPÖ-Ex-Kanzler gegenüber, in dessen Partei die Flieh- und Flügelkräfte walten. Und von der "Liste Peter Pilz" bleibt nicht mehr als ein großes Fragezeichen."
"TAZ" (Berlin)
"(...)Pilz hat mit seinem Rückzug aus dem Parlament Haltung bewiesen. Zwar bestreitet er, was eine ehemaligen Mitarbeiterin ihm vorwirft, und an einen zweiten Vorfall will er sich nicht erinnern können, doch hält er ihn für glaubwürdig. Er hätte die Affäre auch aussitzen und sich mit Hinweis auf seine unbestreitbaren Verdienste als Korruptionsjäger für unentbehrlich erklären können. Seine neu gegründete Partei, von der vier Männer und vier Frauen als Liste Pilz im Parlament sitzen werden, hält jedenfalls zu ihm. Und auch die Leserbriefseiten und Postings in den Zeitungen zeigen, dass viele Pilz' Verfehlungen als lässliche Sünden betrachten.
Die Affäre wirft aber noch andere Fragen auf. Auf der Liste der angeblichen Übergriffe, die die Exmitarbeiterin ihrem damaligen Chef vorwirft, finden sich eine Einladung nach Paris und ein Wochenende auf einer Almhütte. Notabene, nicht allein. Auf der Almhütte gab es laut Pilz eine Teamklausur, seine Ehefrau habe gekocht. Nach Paris habe er sie auf ihr eigenes Drängen hin - nebst dem Hausjuristen - zu wichtigen Gesprächen mitgenommen. Wenn das als Belästigung ausgelegt werden kann, dann müssen Männer und Frauen einander im Büroalltag wohl künftig mit Gummihandschuhen begegnen und nur noch per E-Mail und Telefon kommunizieren. Die Autorin Angelika Hager drückt ihr Unbehagen im Kurier vom Sonntag so aus: " Im Moment kippen wir in ein Klima des Puritanismus, der mir Angst macht."
"Neue Zürcher Zeitung"
"Der Rückzug von Pilz ist ein schmerzlicher Dämpfer für die ohnehin geschwächte Opposition. Bei der Nationalratswahl ging die nach rechts gerückte konservative ÖVP von Aussenminister Sebastian Kurz als Sieger hervor, mit deutlichem Abstand auf die Sozialdemokraten mit Bundeskanzler Christian Kern an der Spitze. Kurz will nun mit der rechtspopulistischen FPÖ eine Regierung bilden. Bis Weihnachten sollen die Koalitionsgespräche abgeschlossen sein.
Die SPÖ stellt sich widerwillig auf die Oppositionsrolle ein und sucht noch nach einem Umgang mit der neuen Situation. Bisher sah es so aus, als ob die Sozialdemokraten gemeinsam mit den liberalen Neos und der Liste Pilz ein starkes Gegengewicht zur Regierung bilden könnten. Mit dem Abgang von Pilz droht seiner Namensliste die Bedeutungslosigkeit. Denn die verbleibenden Mandatare sind politisch unerfahren. Die neue Regierung wird es leichter haben als gedacht."