Türkis war die Farbe des Jahres im Jahr 2010. Sie schenkt angeblich gute Laune und weckt schöne Erinnerungen, wenn man den Esoterikern Glauben schenken darf. Kein Wunder, dass ÖVP-Chef Sebastian Kurz die Zukunft seiner Partei lieber in lichtem Türkis als in dunklem Schwarz gemalt sehen möchte.
"profil"-Chefredakteur Christian Rainer malt in der jüngsten Ausgabe des Magazins weiter und macht aus türkis und blau ein "petrol". Als "beruhigend und kraftvoll" wird diese Mischfarbe von Werbern verkauft. Genau so würden sich Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vermutlich gerne inszenieren.
Bleiben wir bei türkis-blau: Was macht diese Kombination so anrüchig für viele?
Mit ihrem jüngsten Coup haben die ÖVP-FPÖ-Verhandler alles daran gesetzt, die Schatten der schwarz-blauen Vergangenheit zu vertreiben - jener Zeit, in der Wolfgang Schüssel und Susanne Riess-Passer dazu gewungen waren, den Gang zur Inthronisierung unterirdisch anzutreten, weil die links-grüne Gegenwelt ihnen den oberdirdischen Zugang in die Hofburg versperrte.
Wer könnte etwas einzuwenden haben gegen ein Projekt, dem sich auch Bildungsexperte Andreas Salcher, Ex-Grünen-Politikerin Monika Langthaler, Arbeitsrechtler Wolfgang Mazal, Sacher-Lady Elisabeth Gürtler und der junge Shooting-Star der Gründerszene, Florian Gschwandtner, verschreiben?
Keiner.
Keiner hatte übrigens auch etwas gegen Schüssel, Riess-Passer oder Westenthaler einzuwenden. Der Grund für die damalige europaweite Empörung gegen schwarz-blau war einer, der gar nicht in der Regierung saß, nämlich der einstige FPÖ-Chef Jörg Haider. Ihm wurde nachgesagt, das Braune im Blauen genährt und sich selbst zu wenig von den Ereignissen ein halbes Jahrhundert vorher distanziert zu haben.
Haider nahm sich zurück, putzte den blauen Laden aus und schickte sich an, geläutert in die Bundespolitik zurückzukehren, bevor sein Unfall dem ein jähes Ende machte.
Das, was die schwarz-blaue Regierung im Nachhinein so schädlich werden ließ für diese Republik waren nicht rechtsextreme Umtriebe sondern mangelnde Umsicht und eine Günstlingspolitik, die enorme Summen aus den Taschen der Bürger in jene der Profiteure verschob.
Und heute?
Sebastian Kurz ist - wie sein politischer Großvater Wolfgang Schüssel - erhaben über den Vorwurf, an neofaschistische Umtriebe anzudocken. Aber: Inhalt und Wortwahl in der Migrationsfrage docken an die FPÖ an, manches davon, vielleicht auch im Eifer des Wahlkampfs formuliert, hätte dereinst sogar Jörg Haider blass dastehen lassen.
Und Heinz-Christian Strache hat die Maßnahmen Jörg haiders zur Selbstreinigung rückgängig gemacht, das Bekenntnis zur "deutschen Volksgemeinschaft" wieder ins Parteiprogramm schreiben lassen, die Burschenschafter wieder heim zur FPÖ geholt.
Strache steht nicht nur im Verdacht, äußerst rechte Umtriebe zu dulden sondern ist selbst Mitglied der deutschnationalen Schülerverbindung "Vandalia", sein politischer Zwilling Norbert Hofer Ehrenmitglied der "Marko-Germania" Pinkafeld.
Strache hat Martin Graf reaktiviert, Mitglied der innerhalb der Burschenschafterkreise weit rechts stehenden"Olympia". Auch FPÖ-Verhandler Norbert Nemeth und FPÖ-Clusterverhandler und Verfassungssprecher Harald Stefan sind Mitglied der "Olympia".
Ein weiterer Verhandler, Walter Rosenkranz, ist Mitglied der "Libertas". Anneliese Kitzmüller, Verhandlerin aus Oberösterreich, ist Mitglied der Mädelschaft "Iduna". Einzig FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl war nie schlagender Burschenschafter, aber er "respektiert“ sie, wie er sagt.
51 Mandatare ziehen für die FPÖ ins Parlament ein. 21 davon sind "völkisch korporiert". Strache verwahrt sich gegen den Vorwurf, dass diese angreifbar seien. Er halte nichts von "Verschwörungstheorien", alle Genannten seien "anständige Persönlichkeiten", die sich zu Österreich als Staat und Heimat bekennen.
Dennoch stehen er und die Seinen unter Beobachtung, muss der türkise Kurz darauf achten, dass sich keine schwarz-brauen Haselnüsse in den Dunstkreis der schönen, neuen Regierung verirren.
SOS Mitmensch und das Dokumentationarchiv des österreichischen Widerstandes warnten davor, dass rechtsextreme undneonazinahe Personen in Ministerämter gelangen - und bekamen prompt die Quittung präsentiert: Im Gespräch mit Puls 4 wehrte sich Strache gegen "Hetze und Hassaufrufe" im Kampf gegen schwarz-blau, wenn hier nur "Kleinstgruppen, die mit vielen Subventionen bedient wurden, ihr politisches Geschäft betreiben."
Richtig ist: Pauschalvorwürfe sind unfair und sinnlos. Burschenschaften sind nicht verboten und die Rückwärtsgewandtheit mancher Mitglieder wird sich im Zuge der Alterung ihrer Mitglieder vielfach von selbst erledigen.
Allerdings: Dass die Korporierten die wichtigste Personalreserve der FPÖ sind, sollte auch dieser in Hinblick auf ihre Zukunftsfähigkeit und Enkeltauglichkeit zu denken geben. Und ein ständiger Rechtfertigungsbedarf von politischen Mitstreitern, allenfalls auch Regierungsmitglieder, im Falle rechtsextremer Äußerungen oder Handlungen von Brüdern und Schwestern im deutschnationalen Geiste könnten sich als Hypothek für diese Regierung erweisen, die sie vom Start weg nicht vom Fleck kommen lässt.
Das muss allen Beteiligten bewusst sein.
Claudia Gigler