Beinahe wirkte es wie der Einzug von exotischen Tieren: Als die Grünen am 17. Dezember 1986 erstmals im Halbrund des Nationalratsplenums Platz nahmen, ernteten sie argwöhnische Blicke. Von den acht Mandataren trug nur der „Rechtsgrüne“ Josef Buchner einen Anzug. Nicht einmal einen Tagungsraum gab es für den neuen Klub, er wurde zunächst ins SPÖ-Raucherkammerl verbannt.

Österreich war im Jahr 1986 gesellschaftlich und politisch nach rechts gerückt: Im Kanzleramt saß Franz Vranitzky statt Fred Sinowatz, Jörg Haider hatte Norbert Steger als FPÖ-Chef abgelöst, Kurt Waldheim wurde Bundespräsident. Kardinal Hans Hermann Groer hatte den liberalen Franz König als Wiener Erzbischof beerbt. Und im April war das Atomkraftwerk Tschernobyl explodiert. Die Grünen aber blickten bereits auf neun fruchtlose Gründungsjahre zurück, in denen wilder Streit jeden Erfolg zunichtemachte.

Schon 1977 waren der Schauspieler Herbert Fux und der Bäcker Richard Hörl als „Bürgerliste“ in den Salzburger Gemeinderat eingezogen - die ersten Grün-Mandatare Österreichs. Das sensationelle Nein-Votum bei der Volksabstimmung über das Atomkraftwerk Zwentendorf hätte dann den großen Schub für die Grün- und Ökobewegten bringen können.

Doch das Nukleare wurde noch kein Nukleus. Die Öko-Truppe war in die eher linke „Alternative Liste“ und die eher bürgerlichen „Vereinten Grünen“ gespalten. Pseudo-grüne „Tarnlisten“ sorgten für noch mehr Chaos - finanziert aus dunklen Kanälen, um das Grün-Lager weiter zu zersplittern.

Vormarsch nicht aufzuhalten

Der Vormarsch war trotzdem nicht aufzuhalten. 1982 wurde Johannes Voggenhuber Stadtrat in Salzburg, er war der erste Grün-Politiker Europas in einer Regierungsfunktion. 1983 zog eine Grün-Liste in den Grazer Gemeinderat. Unvergessen ist auch der Einzug in den Vorarlberger Landtag 1984 mit dem ulkig-urigen Öko-Bauern Kaspanaze Simma aus dem Bregenzerwald.

Selbst im Gefolge der legendären Besetzung der Hainburger Au im Dezember 1984 blieb die Formierung der neuen Partei eine mühsame Sache. Mit der Au-Besetzerin Freda Meissner-Blau hatte man jetzt immerhin eine Galionsfigur, die bei der Hofburg-Wahl im Mai 1986 auf 5,5 Prozent der Stimmen kam. Im September wurde endlich die bundesweite Partei angemeldet, bei der vorgezogenen Nationalratswahl am 23. November 1986 löste sie mit 4,82 Prozent das Ticket in die Volksvertretung.

Die Grünen sind damit bis heute die einzige Partei, die sich jenseits der rot-schwarz-blauen Dreiparteienlogik für Jahrzehnte im Nationalrat halten konnte. Doch auf dem flachen Land hatten sie immer Probleme, erst 2004 zogen sie beispielsweise in den Kärntner Landtag ein.

Vom Programm her haben die Grünen mit dem Umweltthema einen Dauerbrenner, den ihnen die Konkurrenz freilich bald streitig machte. So entdeckte etwa die ÖVP die „ökosoziale Marktwirtschaft“. Weitere grüne Schwerpunkte sind soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte, was in der Flüchtlingskrise viel Gegenwind brachte.

Die bemerkenswerteste inhaltliche Wende vollzogen die Grünen in der Europapolitik: Beim EU-Volksbegehren 1994 plädierten sie für ein Nein zum Beitritt, später wandelten sie sich zu Fans der Union.

Skandal ums Stillen

In den ersten Jahren setzten die Grünen auf Aktionismus - so sorgte etwa die Abgeordnete Christine Heindl für einen Skandal, als sie 1990 im Plenarsaal ihr Baby stillte. Kollege Andreas Wabl entrollte aus Protest gegen Waldheim eine Hakenkreuzfahne. Später wurden solche Aktionen seltener, auch das Rotationsprinzip und die Unvereinbarkeit von Abgeordnetenmandat und Parteivorstandssitz fielen dem Pragmatismus zum Opfer. 2002 gab es Regierungsverhandlungen mit der ÖVP, sie scheiterten unter anderem am Eurofighter-Kauf. Dafür sitzen die Grünen heute in sechs Landesregierungen.

Die mühsame Basisdemokratie mit Zufallsmehrheiten auf Parteikonventen bereitet bis heute Schwierigkeiten. Mit dem „Starprinzip“ in der Politik kam die Öko-Partei lange nicht zurecht. Nur die starken Parteichefs Alexander Van der Bellen und Eva Glawischnig standen über den Dingen, und mit diesen beiden Namen sind die größten grünen Erfolge verknüpft: 12,4 Prozent bei der Nationalratswahl 2013 und der Sieg bei der Bundespräsidentenwahl im Vorjahr.

Nun ist alles anders, Van der Bellen steht einem Parlament ohne Grüne gegenüber. So hat er sich das Etikett „parteilos“ vermutlich nicht vorgestellt.