SPÖ und ÖVP - Die ewige Wiederkehr des Gleichen

Das Vertraute im neuen Farbkostüm ist durchaus eine Möglichkeit. Die FPÖ wird nicht müde, eine Neuauflage der gar nicht mehr Großen Koalition aus Sozialdemokraten und der erneuerten Volkspartei an die Wand zu malen. Wahrscheinlich ist das freilich nicht. Für Sebastian Kurz, der im Wahlkampf seine alte Traditionspartei völlig aus dem politischen Weichbild verdrängt hat, ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit, mit dem Alten zu brechen. Wer sich als das völlig andere plakatieren lässt, obwohl er seit sechs Jahren dabei ist, kann sich eigentlich nicht mit der bloßen Umkehr der Größenverhältnisse begnügen – und der Kanzlerschaft. Außerdem ließ Kurz keine Diskussion verstreichen, ohne darauf hinzuweisen, dass eine solche Zusammenarbeit mit dem derzeitigen SPÖ-Chef nicht möglich ist.

Ob Christian Kern aber tatsächlich nach diesem Sonntag Geschichte sein wird, wie Kurz und Strache unterstellen, ist keineswegs gewiss. Auch nicht, ob in diesem Fall Hans Peter Doskozil nachfolgt. Umgekehrt scheint die Wahrscheinlichkeit größer: Sollte die SPÖ noch einmal die stimmenstärkste Partei werden, wäre Kurz („Jetzt oder nie“) als ÖVP-Chef vermutlich Geschichte. Dann wäre wieder alles offen und der Weg frei für die Großkoalitionäre beider Farben.

ÖVP und FPÖ - Altes Feindbild mit neuen Firnis

Zwischen den Programmen der Kurz-ÖVP und der Freiheitlichen gibt es bemerkenswert viele Überschneidungen. Beide Parteien streben massive Steuersenkungen an, zur Entlastung der Wirtschaft und des Mittelstands. Weder Sebastian Kurz noch Heinz-Christian Strache haben bisher genau gesagt, woher die 14 Milliarden Entlastung kommen sollen. Beide sprechen mit Verve von notwendiger Entbürokratisierung und von der Zusammenlegung der Krankenkassen. Gut kompatibel sind auch die Vorstellungen zur Migrationspolitik. Kurz hat hier viele Positionen der FPÖ übernommen, nicht aber deren Ton.

Selbst eine gemeinsame Linie gegenüber der Europäischen Union scheint möglich. Strache spricht zwar wie Marine Le Pen nach wie vor gerne vom „Europa der Vaterländer“. Hinter dem blumigen Begriff de Gaulles steht der Wunsch, die Union in einen Zusammenschluss von souveränen Nationalstaaten rückzubauen. Die von Kurz betonte Idee der „Subsidiarität“, also der gestuften Verantwortung zwischen regionaler, nationaler und übernationaler Ebene, könnte eine Kompromissformel sein.
Spannend wird, wen die FPÖ in eine Regierung entsenden will. Überbordend reich ist das Angebot in ihren Reihen nach wie vor nicht.

SPÖ und FPÖ - Kein Tabubruch mehr

Eine Premiere wäre eine Koalition von SPÖ und FPÖ nicht. Von 1983 bis 1986 gab es das auf Bundesebene bereits. Seitdem galt in der SPÖ die sogenannte „Vranitzky-Doktrin“, die Rot-Blau ausschließt. Davon hat man sich unter Christian Kern gelöst – wer den „Wertekompass“ der SPÖ erfüllt, ist ein möglicher Partner. Die ÖVP vermutet, dass längst an Rot-Blau gebastelt werde. Sehr wahrscheinlich ist das nicht, obwohl Kern und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache persönlich gut miteinander können. Inhaltlich „trennen uns Welten“, sagt Kern. Bei sozialen Fragen, wie Mindestlohn- oder -pension, Zugang zum Arbeitsmarkt beschränken, trifft man sich. Im Parlament stimmten SPÖ und FPÖ diese Woche bei mehreren Themen (Notstandshilfe, Verbot der Bankomatgebühr, Angleichung Arbeiter/Angestellte) gemeinsam. Im Burgenland gibt es seit 2015 eine rot-blaue Koalition. Landeshauptmann Hans Niessl ist also ein Befürworter. Hans Peter Doskozil könnte damit wohl besser als Kern.

ÖVP, Neos, Grüne (und evt. Pilz)

Der Begriff „Dirndl-Koalition“ wurde als österreichische Antwort auf eine deutsche „Jamaika-Koalition“ geprägt. Neos-Chef Matthias Strolz wäre gerne Bildungsminister in einer solchen Regierung. Auf der Website www.schwarzgruenpink.at sprechen sich bekannte Ex-Politiker wie Erhard Busek oder Franz Fischler für eine Koalition aus ÖVP, Grünen und Neos aus. Eine „Vernunftehe für dringend notwendige Reformen“ sei das. Scheitern könnte dies jedoch bereits an der nötigen Mandatsmehrheit. Für ein solches Szenario müsste die ÖVP wohl um die 35 Prozent der Stimmen erreichen. Und selbst dann wäre auch die Unterstützung von Peter Pilz nötig, sollte der die Vier-Prozent-Hürde zum Einzug ins Parlament schaffen. Die Wahrscheinlichkeit ist also äußerst gering. Grünen-Chefin Ulrike Lunacek stößt sich am „Kurz/Sobotka“-Flüchtlingskurs. 2002 stand eine schwarz-grüne Einigung zwischen Schüssel und Van der Bellen kurz bevor. Seit damals ist die ÖVP deutlich nach rechts gedriftet, die Grünen eher nach links.

ÖVP und Experten - Unwahrscheinlicher Husarenritt

In nordischen Staaten gibt es das gelegentlich – Minderheitsregierungen. Man sucht sich wechselnde Mehrheiten, je nach Gesetzesvorhaben. In Österreich hat das allerdings keine Tradition. Zu groß ist die Versuchung, in hemmungslosem Populismus jede Budgetdisziplin aus den Augen zu verlieren. Und die Option, die Bruno Kreisky 1970 wählte, als er mit 48,5 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit knapp verfehlte, wird Kurz kaum offenstehen. Gegen die Zusicherung einer Wahlrechtsreform in ihrem Sinne hatte die FPÖ die SPÖ-Regierung geduldet. Kurz darauf errang Kreisky die Absolute. Das wird sich kaum wiederholen lassen. Auch kühne Umfragen sehen Kurz nicht in der Nähe der Stärke der Kreisky-SPÖ. Dennoch kursiert die Idee, Kurz könnte mit einem bunten Kabinett aus Experten unterschiedlicher Couleurs mit wechselnden Mehrheiten ein paar große Projekte umsetzen und dann abermals um das Vertrauen der Wähler bitten. Ein Husarenritt.