Noch sind die Würfel nicht gefallen. Laut Umfragen dürfte Sebastian Kurz am Sonntag klar die Nase vorn haben, es wäre aber nicht das erste Mal, lägen die Meinungsforschung wieder einmal daneben. Bei Trump, Brexit und bei der Hofburg (erster Durchgang) waren alle Vorhersagen falsch, weder gewann Hillary Clinton noch lag Van der Bellen in der ersten Runde auf Platz eins.

Mit größerer Sicherheit lässt sich eines prophezeien: dass die Große Koalition in den letzten Zügen liegt und keine Wiederauferstehung feiern wird. Selbst wenn Christian Kern durch Klubobmann Andreas Schieder, Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner oder Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil ersetzt wird - die wechselseitige, nahezu körperliche Abneigung bleibt nicht auf die Spitzenkandidaten Kern und Sebastian Kurz beschränkt, sondern geht tief in beide Parteien hinein. In der allerjüngsten Schlammschlacht um Silberstein & Co. wurde, wie Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu Recht konstatiert hat, „das letzte Porzellan zerschlagen“. Sollten Rot und Schwarz mit vertauschten Rollen wieder gemeinsame Sache machen, „die Leute würden uns mit den nassen Fetzen davonjagen“, heißt es in höchsten Koalitionskreisen.

Und so kommt unweigerlich die FPÖ als möglicher Koalitionspartner ins Spiel, gleichwohl sich Kurz aus gutem Grund noch nicht festgelegt hat. Sollte Kurz sehr deutlich vorn liegen, hätte die ÖVP vier Optionen (FPÖ, SPÖ, Dirndl-Koalition - Türkis, Grün, Pink - oder eine Minderheitsregierung). In jedem Fall rechnen sich die Freiheitlichen Chancen auf ein koalitionäres Comeback nach zehnjähriger Absenz aus. Das Paradox: In der FPÖ ist man froh über Platz zwei oder drei. „SPÖ oder ÖVP hätten Strache nie zum Kanzler gemacht“, so ein hoher Funktionär.

Auch in der Hofburg bereitet man sich auf diese Option vor. Ein ranghoher Spitzenpolitiker, der nicht genannt werden will und der Koalition angehört, weiß im Gespräch mit der Kleinen Zeitung zu berichten, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen im informellen Gespräch mit Politikern, zu denen ein Vertrauensverhältnis besteht, mögliche FPÖ-Ministerlisten durchgeht, um herauszufinden, welcher FPÖ-Politiker ministrabel wäre. Dabei fallen neben Strache immer dieselben Namen: Norbert Hofer, Manfred Haimbuchner, der Welser Bürgermeister Andreas Rabl, Volksanwalt Peter Fichtenbauer, Abgeordneter Walter Rosenkranz (Herbert Kickl könnte Klubobmann werden).

Was außerdem auffällt: Zwischen Van der Bellen und der FPÖ hat sich das Verhältnis merklich entkrampft, Strache bekam den - von Heinz Fischer - vorenthaltenen Orden, die FPÖ hat alle Angriffe gegen Van der Bellen eingestellt, auch als er den unglücklichen Kopftuch-Sager tätigte. Und es gab schon die eine oder andere gemeinsame Zigarette.

In der Präsidentschaftskanzlei will man zu den Personalspekulationen nicht Stellung beziehen. Was aber zu vernehmen ist: Basierend auf den Erfahrungen von Thomas Klestil, der 2000 kläglich daran gescheitert ist, Schwarz-Blau zu verhindern, ist sich Van der Bellen bewusst, dass er bei der Regierungsbildung zwar lenkend eingreifen, aber keine Mehrheiten verhindern kann. Bei der Auswahl der Minister und der Zuordnung der Ressorts bleibt die Vetodrohung aufrecht: Einen FPÖ-Außenminister kann man sich in der Hofburg nicht vorstellen, zumindest hofft man, dass sich Kurz - gerade vor dem Hintergrund der österreichischen EU-Präsidentschaft 2018 - auf ein solches Experiment gar nicht erst einlässt.

Welche Ministerien den Freiheitlichen angeboten werden, hängt vom künftigen Kräfteverhältnis ab. 1999 war es noch eine Koalition auf Augenhöhe (je 27 Prozent), diesmal könnte es anders sein. In der FPÖ will man sich auf Spekulationen nicht einlassen. Nur so viel sickert durch: Ein zweites Mal will man sich von der ÖVP nicht über den Tisch ziehen lassen, das Trauma hängt noch nach. „Ich schließe nicht aus, dass die ÖVP Herrn Moser (ehemaliger Rechnungshofchef, vormaliger Klubdirektor der FPÖ) zum Finanzminister macht und uns dann einreden will, der ist eh einer von uns“, heißt es. Ohne Schlüsselministerium, Finanzen, Außen, innere Sicherheit, wird die FPÖ nie in die Regierung gehen, Wolfgang Sobotka könnte Nationalratspräsident oder Klubobmann werden. Rot-Blau dürfte nach den letzten Tagen in weite Ferne gerückt sein.