Zweieinhalb Wochen vor der Wahl präsentierte Sebastian Kurz am Mittwoch den dritten und letzten Teil des ÖVP-Wahlprogrammes. Der Abschnitt trägt den Titel „Ordnung und Sicherheit“ und ist in vier Schwerpunktkapitel unterteilt. Wenig Neues gibt es beim Thema „Stopp der illegalen Migration“. Da ist unter anderem von einer Neugestaltung des Asylsystems in Europa, Schließen der Mittelmeerroute, Null Toleranz gegenüber dem politischen Islam, Parallelgesellschaften verhindern sowie Ausbau von Deutsch- und Wertekursen die Rede. Kurz spricht sich auch klar gegen die Einführung eines Ausländerwahlrechts aus.

Der zweite Teil widmet sich dem Thema „Staatsreform“ Die ÖVP kündigt an, die „Kompetenzverteilung in Österreich von Grund auf“ neu zu denken. Mehrfachförderungen und Doppelgleisigkeiten sollen reduziert werden, für Länder und Gemeinden soll es mehr Steuerautonomie geben und eine „Eigentümerstrategie“ für die Beteiligungen des Bundes entwickelt werden. Die ÖVP strebt auch eine ORF-Reform an, österreichische Inhalte sollen gesichert werden sowie der öffentlich-rechtliche Auftrag weiterentwickelt und „um Marktanteile ergänzt“ werden. Es gehe um „möglichst hochwertige Information“ und „flächendeckende Präsenz in Österreich“.

Gegen "Christenverfolgung"

Die Forderung nach mehr Demokratie findet sich auch im Wahlprogramm. Geplant ist, dass es ein, zwei Tage pro Jahr gibt, „an denen Anliegen zur Abstimmung oder Befragung gebracht werden“. Wird ein Volksbegehren von mehr als zehn Prozent der Bevölkerung unterschrieben, soll es zwingend eine Volksabstimmung geben. Neue Minister oder Staatssekretäre sollen sich einem Hearing im Parlament stellen.

"Ordnung und Sicherheit": Präsentation des dritten ÖVP-Programmteils

Was er in der Europapolitik plant, hat Kurz schon vergangene Woche umrissen. In dem Papier finden sich einige neue Punkte, so etwa die Forderung nach einer Direktwahl des EU-Kommissionspräsidenten. Die Russland-Sanktionen sollen schrittweise zurückgenommen werden. "Langfristiger und nachhaltiger Frieden in Europa wird nur mit und nicht gegen Russland möglich sein", sagt Kurz. "Die Sanktionen, die wir weiterhin gegen Russland aufrechterhalten, schaden unserer Wirtschaft." Auch die „Christenverfolgung“ will die ÖVP international bekämpfen.

Der vierte Teil nennt sich „Mehr Sicherheit“. Hier wird das umstrittenene und bis dato nicht beschlossene Sicherheitspaket genannt oder auch zusätzliche Planstellen für Pensionisten. Gewalt gegen Frauen und Kinder soll härte bestraft werden. Eine noch wenig bekannte Forderung ist, dass die Eheschließung erst mit 18 Jahren möglich sein soll. Familien- und Jugendministerin Sophie Karmasin, die der ÖVP nach der Wahl nicht mehr als Ministerin zur Verfügung stehen wird, hatte mit diesem Vorschlag Anfang August aufhorchen lassen. "Kinderehen und Zwangsehen, ob in Kindes- oder Erwachsenenalter, gilt es klar zu unterbinden", betonte Karmasin. Derzeit liegt das Mindestalter für Hochzeiten bei 16 Jahren.

Breite Ablehnung bei Mitbewerbern

SPÖ, FPÖ und NEOS haben am Mittwoch kritisch auf die ÖVP-Vorschläge zum Thema "Ordnung und Sicherheit" reagiert. Noch-Koalitionspartner SPÖ etwa findet, die Volkspartei verabschiede sich vom Europa der Menschen, die NEOS erkennen lediglich Altbekanntes.

"Die Kurz-ÖVP hat sich von einem Europa der Menschen verabschiedet und tritt für ein Europa der Konzerne ein", monierte Infrastrukturminister Jörg Leichtfried (SPÖ) in einer Aussendung. Die ÖVP wolle eine reine Wirtschaftsunion, bei der der Wettbewerb für Konzerne und der Binnenmarkt im Zentrum stehen: "Damit ist die ÖVP aber auf dem Holzweg", so Leichtfried. Er forderte hingegen etwa gemeinsame Standards zur Festlegung nationaler Mindestlöhne.

Für die Freiheitlichen setzt die ÖVP beim Thema Migration auf die EU und damit auf das falsche Pferd. "Die EU ist nicht Problemlöser, sondern Teil des Problems", meinte Sicherheitssprecher Walter Rosenkranz. Die FPÖ thematisiere das "Versagen der EU" bei der "illegalen Massenzuwanderung" seit Jahren. So lange die Balkanroute und die Mittelmeerroute aber nicht geschlossen sind, brauche es daher konsequente Grenzkontrollen in Österreich.

Das ÖVP-Programm werde ohnehin nicht umgesetzt, es sei daher nicht sonderlich relevant, denken die NEOS. Wie zu erwarten gewesen sei, enthalte es Altbekanntes, kritisierte der stellvertretende Klubchef Nikolaus Scherak. Er merkte weiters an, dass die ÖVP zwar für einen gläsernen Staat eintritt, gleichzeitig aber einen Bundestrojaner, der Bürger ausspioniere, fordert.