Als Wahlkampf wird laut Internet-Lexikon Wikipedia im engeren Sinn das direkte Werben von Parteien um Stimmen vor einer Wahl bezeichnet. Abseits der inhaltlichen Auseinandersetzung wird der aktuelle Wahlkampf unter dem Motto "Jedes Schriftl ein Giftl" vor allem über die Veröffentlichung interner Papiere geführt, die den politischen Mitbewerber in Misskredit bringen sollen. Ein Überblick:
Kurz-Strategiepapiere
Ende August tauchten in "Österreich" und etlichen anderen Medien erste Berichte über ein angebliches Strategiepapier für die Übernahme der ÖVP-Obmannschaft durch Sebastian Kurz auf. Das 200-seitige Dokument stamme aus dem Jahr 2016 und aus der Feder von Kurz-Mitarbeitern und sei damit lange vor dem Rücktritt von Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner und vor Kurz' Wahl zum ÖVP-Chef und Spitzenkandidaten entstanden, hieß es. Das Papier enthält Pläne zur Umgestaltung der ÖVP, potenzielle Spender, Unterstützer und Kandidaten einer Kurz-Wahlplattform. Daneben sind inhaltliche Vorhaben für die Zeit nach der Übernahme von ÖVP sowie - nach geschlagener und gewonnener Wahl - für die ersten 100 Tage nach dem Einzug ins Bundeskanzleramt ("Projekt Ballhausplatz") aufgelistet. Zuletzt wurde im "Falter" im Zusammenhang mit dem Papier der Vorwurf kolportiert, Kabinettsmitarbeiter des Außenministers hätten an der Erstellung des Strategiepapiers mitgearbeitet und damit widerrechtlich Parteiarbeit geleistet. Ein Vorwurf, der laut Experten alle Ministerien - egal ob ÖVP- oder SPÖ-geführt - treffe, weil dort ständig Arbeiten erledigt würden, von der die eigene Partei inhaltlich profitiert.
Die ÖVP hatte zunächst massive Zweifel an der Echtheit der Papiere angemeldet und erklärt, dass man diese nicht kenne. Es könnte sich auch um manipulierte Texte handeln, so die Argumentationslinie. Nachdem aus den Dokumenten laut "Falter" und "Kurier" hervorgeht, dass diese von Kurz-Mitarbeitern überarbeitet wurden, hat die ÖVP ihre Kommunikation inzwischen angepasst und ist auf die Erklärung umgeschwenkt, dass Teile des Strategiepapiers doch echt sind. Als Medienquelle der Papiere, die an der Glaubwürdigkeit des ÖVP-Spitzenkandidaten kratzen sollen, wird die FPÖ vermutet. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache höchstpersönlich machte sie bei einem Medienauftritt publik. Neben der FPÖ werden die Dokumente seither auch von der SPÖ für Kritik an der ÖVP eingesetzt. Wie und durch wen das Datenkonvolut bei den Freiheitlichen gelandet ist, ist nicht bekannt.
Silberstein-Papiere
Tal Silberstein gilt international als Experte für Negativ-Kampagnen. Der Wahlkampfberater hatte für die SPÖ in den vergangenen Monaten Fokus-Gruppen betreut, Umfragen erstellt und daraus Strategien bis hin zu Wahlkampfslogans ("Holen Sie sich, was Ihnen zusteht") mitentwickelt, ehe er Mitte August in Israel im Zusammenhang mit Korruptions- und Geldwäschevorwürfen gegen einen seiner Geschäftspartner festgenommen und von der SPÖ deshalb gefeuert wurde. Anfang September tauchten im Nachrichtenmagazin "profil" sowie in der "Kronen Zeitung" schließlich zahlreiche Mails Silbersteins mit pikanten SPÖ-Interna auf. Von Aufträgen für Negativ-Videos gegen ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz oder internen Stärke-Schwächen-Analysen von verschiedenen SPÖ-Politikern ist darin die Rede. Zuletzt veröffentlichte die Tageszeitung "Österreich" etwa eines der Mails an Silberstein, das von einem ehemaligen SPÖ-Mitarbeiter verfasst worden sein soll und in dem Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern als politisch unerfahren, sprunghaft, eitel und "Prinzessin" mit "Glaskinn" beschrieben wird. Die SPÖ distanzierte sich von Silberstein und betonte, dass Negativ-Videos gegen Kurz nicht direkt von der Partei beauftragt und auch nur für interne Zwecke hergestellt wurden. Und die SPÖ übte mit dem Hinweis, dass es sich um gehackte und missbräuchlich verwendete Daten handle, generell heftige Kritik an der Veröffentlichung der Silberstein-Papiere.
Die Mails könnten von einer ehemaligen Mitarbeiterin des Ex-SPÖ-Beraters weitergegeben worden sein, wird in SPÖ-Kreisen vermutet. Sie hatte für Silberstein Übersetzungsarbeiten getätigt und soll auch über gute Kontakte zu ÖVP und NEOS verfügen, heißt es SPÖ-intern. Die ÖVP hatte der SPÖ im Zuge der Veröffentlichung wiederholt "Dirty Campaigning" gegen Kurz vorgeworfen. Heftige Kritik an den Silberstein-Aktivitäten in der SPÖ gab aus auch aus den Reihen der Freiheitlichen.
Pilz-Ausländerpapier
Auch bei den Grünen spielten lancierte Papiere zuletzt eine gewichtige Nebenrolle im Wahlkampf. Im Konflikt zwischen den Grünen und dem abtrünnigen Peter Pilz, der mit einer eigenen Liste bei der Nationalratswahl antritt, wurden via APA Asyl-Forderungen Pilz' aus dem Jahr 2016 lanciert. Das interne Diskussionspapier mit dem Titel "Österreich zuerst" zeigt einen Peter Pilz, der sich von den Grünen schon damals Richtung Rechts absetzte. Europa sei voll, die Zahl der Flüchtlinge soll deshalb reduziert werden und Flüchtlinge erst dann Zugang ins Land erhalten, wenn sie davor sechs Monate in einem Lager eine "Österreich-Vorbereitung" absolviert haben, so die Vorschläge. Pilz bezweifelte zunächst die Echtheit des Papiers, konnte sich dann aber doch erinnern. Es sei eines seiner besten Papiere, so der streitbare Abgeordnete.
Hinter der Weitergabe des Dokuments an die Medien vermutete Pilz ehemalige Parteikollegen und sprach gar von einem "E-Mail-Gate". Die Grünen bestätigten die Authentizität, Pilz selbst veröffentlichte das Papier nach ersten Medienberichten via Internet. Motiv für die Weitergabe dürfte weniger der Umstand gewesen sein, Peter Pilz zu schaden, als vielmehr der eigenen Kernklientel vor Augen zu führen, wer wahre grüne Wert vertritt. Die "Kronen Zeitung", die zuletzt zum Sprachrohr von Pilz avancierte, veröffentlichte darüber hinaus am Donnerstag ein internes Parteipapier der Grünen, in dem diese vor der Wahl von Peter Pilz warnen.
Kindergartenstudie
Bereits Anfang Juli berichtete die Wiener Stadtzeitung "Falter", dass die umstrittene Kindergartenstudie des Islamwissenschafters Ednan Aslan von Beamten des Außen- und Integrationsministeriums manipuliert und zugespitzt worden sein soll. Die Wochenzeitung veröffentlichte ein Dokument aus dessen Überarbeitungsmodus zahlreiche Änderungen, Streichungen und Umstellungen durch Mitarbeiter des Ministeriums hervorgehen sollen. Die Vorstudie zu islamischen Kindergärten in Wien sei dadurch auf das von Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) politisch gewünscht Ergebnis hingetrimmt worden, so die Kritik. Aslan wies die Vorwürfe zurück. Er stehe zu allen Inhalten und Formulierungen der Studie. Vom Ministerium seien Anmerkungen formaler oder redaktioneller Natur gekommen, inhaltliche Änderungen habe nur er selbst vorgenommen. Auch Kurz wies den Vorwurf der Manipulation zurück. Die Studie wird derzeit im Auftrag der Universität Wien von der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität geprüft, ein Ergebnis dürfte erst nach der Nationalratswahl vorliegen. Ob das Aslan-Papier durch eine Indiskretion aus dem Ministerium oder durch die Stadt Wien, die in die Erstellung der Studie eingebunden ist, in den Medien landete, ist unklar. Kritik am ÖVP-Chef gab es nach der Veröffentlichung der Dokumente vor allem aus der Wiener SPÖ sowie von Grünen und NEOS.