Wer ab 1. Oktober mit Staubschutzmaske oder Sturmhaube auf die Straße geht, riskiert bis zu 150 Euro Geldstrafe - außer es herrscht wirklich Smogalarm oder Frost. Das Ende nächster Woche in Kraft tretende "Burkaverbot" untersagt nämlich nicht nur das Tragen konservativ-islamischer Schleier, sondern auch jede andere unbegründete Form der öffentlichen Verhüllung. Die Polizei verspricht "Fingerspitzengefühl".
Politisch zielt das vor dem Sommer von SPÖ und ÖVP beschlossene Gesetz zwar auf den Geschichtsschleier konservativer Muslimas, formuliert wurde es aber "religionsneutral". Die Generaldirektorin für Öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, betonte am Donnerstag vor Journalisten, sich der sensiblen Materie bewusst zu sein. "Wir werden es behutsam, aber trotzdem konsequent umsetzen", sagte Kardeis. Ein Informationsfolder auf Deutsch, Englisch, Türkisch und Arabisch wurde bereits aufgelegt. Außerdem wurden Botschaften, internationale Organisationen und islamische Glaubensgemeinschaft informiert.
Algerischer Millionär will Strafen übernehmen
Aufgregung gibt es nun um den algerisch-französischen Geschäftsmann Rachid Nekkaz, der wissen ließ, dass er alle nach dem österreichischen "Burka-Verbot" ausgesprochenen Strafen bezahlen will. Nekkaz übernimmt mit seiner Organisation "Touche pas à ma constitution" (Rühr' meine Verfassung nicht an) bereits ähnliche Strafen in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und der Schweiz. Laut "Servus Nachrichten" will er das nun auch auf Österreich ausweiten. Nekkaz, der sich selbst nicht als Anhänger der Vollverschleierung bezeichnet, sieht seine Aktion als Beitrag zur Religionsfreiheit. Bisher habe er 300.000 Euro für entsprechende Strafen und Rechtsbeistand ausgegeben.
Heftige Kritik an Nekkaz kommt von Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP): "Wir lassen uns das sicher nicht gefallen. Wer in Österreich Niqab oder Burka trägt, muss mit Konsequenzen rechnen", erklärte Kurz am Donnerstag in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Kurz warnt den Geschäftsmann. Es sei zu prüfen, ob bei Herrn Nekkaz eine Anstiftung zur Verwaltungsübertretung vorliegt, in diesem Fall müsste Herr Nekkaz mit entsprechenden Konsequenzen rechnen, teilte der Minister mit. "Wir werden keine Symbole tolerieren, die darauf abzielen, bei uns eine Gegengesellschaft zu errichten", so Kurz.
Clownmasken nur im Fasching
Laut Kardeis trifft das Verhüllungsverbot künftig drei von insgesamt acht üblichen konservativ-islamischen Kopfbedeckungen - und zwar jene, die das Gesicht komplett verhüllen, nicht aber Kopftücher, bei denen das Gesicht sichtbar bleibt. Ab 1. Oktober gilt nämlich, dass die Gesichtszüge vom Kinn bis zum Haaransatz in der Öffentlichkeit erkennbar sein müssen. Ausnahmen gibt es etwa aus gesundheitlichen Gründen, bei Traditionsveranstaltungen (Fasching) oder wenn die "Verhüllung" beruflich notwendig ist (Clowns, Handwerker, Mediziner). Bei Verstößen drohen bis zu 150 Euro Strafe.
Somit droht etwa auch den in Tourismusregionen häufig anzutreffenden ostasiatischen Touristen mit Mundschutz eine Strafe - es sei denn, das Umweltbundesamt gibt Smogalarm. Informationsmaterial in ostasiatischen Sprachen wurde dennoch keines aufgelegt. Man könne nicht alle Sprachen abdecken, meinte Kardeis dazu. Und dass die Polizei in der Praxis tatsächlich auch diese "Zielgruppe" anspricht, und nicht nur verschleierte Muslimas abstraft, wird laut Kardeis nicht dokumentiert: Man wolle keine "Stricherllisten" führen.
Wie die Polizei bei Verstößen gegen das Verhüllungsverbot in der Praxis vorgehen will, schilderte Michael Hubmann vom Stadtpolizeikommando Linz: Demnach werde man die Betreffenden zuerst ansprechen und auffordern, die Verhüllung abzulegen - in diesem Fall könnte auf eine Strafe verzichtet werden. Wird die Abnahme verweigert, müsste die betreffende Person zur Identitätsfeststellung festgenommen werden, in weiterer Folge würde auch ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet.
Keine zwangsweise Abnahme
Wozu die Polizei vom "Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz" nicht ermächtigt wird, ist die zwangsweise Abnahme eines Schleiers. Dies ist nur zur Identitätsfeststellung am Wachzimmer zulässig, unter Beiziehung weiblicher Polizistinnen, heißt es. Zurückhaltung üben sollten auch einfache Bürger, die sich am Anblick einer verhüllten Frau stören: Laut Kardeis könnten diese zwar die Polizei rufen. Die betreffende Frau bis zum Eintreffen der Beamten festzuhalten, wäre allerdings verboten, da es sich beim Verhüllungsverbot nur um ein Verwaltungsdelikt handelt - ähnlich wie Falschparken.
Dass es im Umgang mit arabischen Touristinnen zu Problemen kommen könnte, glaubt Kardeis angesichts internationaler Erfahrungen nicht. Unzulässig wäre ihren Angaben zufolge übrigens auch die Argumentation, ein Niqab werde als Schutz gegen Kälte getragen. Das würde laut Kardeis nicht akzeptiert. Nicht beantworten wollte die oberste Polizistin die Frage, ob man denn mit dem komplizierten Gesetz glücklich sei: "Die Polizei kann und darf sich die Frage nicht stellen, ob wir mit einem vom Gesetzgeber beschlossenen Gesetz Hip-Hip-Hurra glücklich sind."