Der Wahlkampf dominiert wie erwartet die erste Marathonsitzung des Nationalrats im Ausweichquartier in der Hofburg. Mit dem Forschungs- und Technologiebericht 2017 als letztem inhaltlichen Punkt ging die Sitzung nach knapp 14 Stunden - und damit um einiges früher, als ursprünglich erwartet - zu Ende. Dies lag vor allem daran, dass nicht nur die Fraktionen, sondern auch die 14 "wilden" Abgeordneten die ihnen zustehenden Redezeiten bei weitem nicht ausschöpften.
Danach gab es noch Ausschusszuweisungen und Fristsetzungen. Zuvor waren Beschlüsse zum Nationalfonds und zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) auf der Tagesordnung. Auch die Ausschüsse wurden - wegen des Endes des Teams Stronachs und der diversen Klub-Abgänge - neu konstituiert. Mit einer Frist versehen und damit für eine Beschlussfassung noch vor der Nationalratswahl bereit gemacht wurden mehre Anträge. Konkret handelte es sich da um die erst am Mittwoch paktierte Verlängerung des Kinderbetreuungsausbaus, die Formalkorrektur des Fremdenrechtspakets, eine Änderung im Tierschutzgesetz, die eine Lockerung des Tierverkaufsverbots über das Internet bringen soll, sowie um die Pensionserhöhung. Eine Überraschung war das Durchwinken einer von der SPÖ geforderten Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten - gegen die Stimmen der ÖVP. FPÖ und Grüne unterstützten das Anliegen der Sozialdemokraten, damit dürfte es noch vor der Wahl zu einer Abstimmung im Plenum kommen.
Beim Ministerrat Mittwochvormittag hatte sich Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) "besonders verwundert" über den Widerstand der Schwarzen gezeigt, stehe die Beseitigung der Unterschiede zwischen den beiden Gruppen doch im Wahlprogramm von ÖVP-Chef Sebastian Kurz.
RH-Präsidentin mahnte vor Wahlzuckerln
Zwar gab es mit der Verländerung der Wohnbauförderung auch einen größeren Gesetzesbeschluss, in den Reden wurde jedoch mehr für eigene Anträge geworben, die freilich im Regelfall kaum Chancen auf Umsetzung vor der Wahl haben. Die Reform des Mietrechts ist für diese Legislaturperiode zum Beispiel endgültig zu Grabe getragen. Die SPÖ wagte einen letzten Versuch, ihren Vorschlag für ein Universalmietrecht mittels Fristsetzungsantrag noch vor der Nationalratswahl auf die Tagesordnung zu bringen. Von ÖVP, NEOS und FPÖ wurde dies aber abgelehnt. Die Unterstützung der SPÖ durch die Grünen reichte nicht aus.
Auch ein dringlicher Antrag der Grünen für eine Verschärfung der Regeln zur Parteienfinanzierung wurde abgeschmettert. Nach der rund zweieinhalbstündigen Debatte fand sich keine weitere Fraktion, die das Anliegen unterstützte. Mit der Behandlung des Abschlussberichts im Nationalrat ist der zweite Eurofighter-Untersuchungsausschuss offiziell zu Ende gegangen. Angenommen wurde das Dokument (samt Berichten der Fraktionen) mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ sowie Peter Pilz und seinen Weggefährten.
Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker, die wegen des Bundesrechnungsabschlusses ins Plenum gekommen war, warnte dann auch ausdrücklich davor, teure Geschenke zu verteilen. Gerade im Wahlkampf sei Augenmerk auf eine langfristige Finanzierbarkeit von Maßnahmen zu legen. Dies hinderte die Klubs freilich nicht, die ein oder andere Forderung in Antragsform vorzulegen. Auch die Regierungsfraktion SPÖ machte beim Wunschkonzert munter mit. So warb Klubobmann Andreas Schieder etwa für einen Antrag zur Angleichung der Rechte von Angestellten und Arbeitern, gebe es hier doch eine massive Gerechtigkeitslücke.
Da die ÖVP dieses Thema ebenfalls in ihrem Wahlprogramm habe, dürfte aus Schieders Sicht nichts dagegen sprechen, den Antrag umzusetzen. Es ist nicht die einzige Initiative, die von den Sozialdemokraten heute eingebracht wird. Die Wünsche gehen von einer Reform des Wohnrechts über ein Verbot von Bankomat-Gebühren über die Einführung von Gruppenklagen bis hin zu einer Änderung des Volksgruppen-Gesetzes.
Nur wenige Abstimmungen
Darüber abgestimmt wird allerdings nur in den wenigsten Fällen. Die meisten dieser Anträge werden einfach den zuständigen Ausschüssen zugewiesen und könnten noch in der Oktober-Sitzung für einen allfälligen Beschluss ins Plenum wiederkehren. Freilich gibt es auch drei Agenden, wo es fast fix ist, dass sie noch vor der Wahl umgesetzt werden, da von gemeinsamen rot-schwarzen Anträgen ausgegangen wird. Da geht es um die Formalkorrektur des Fremdenrechtspakets, eine Änderung im Tierschutzgesetz, die eine Lockerung des Tierverkaufsverbots über das Internet bringen soll, sowie um die Pensionserhöhung.
Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), der traditionell kein Freund kostenintensiver Beschlüsse ist, zeigte sich jedenfalls über die angriffige Rede Schieders in Richtung ÖVP erbost - umso mehr als Schieder noch Wahlspenden an die ÖVP im Zusammenhang mit der Ablehnung des roten Wohnpakets anführte. Dies möge eine Wahlkampf-Rede Schieders für seine Kandidatur als Wiener Bürgermeister gewesen sein, habe im Hohen Haus aber nichts verloren, wies Schelling auch zurück, dass die ÖVP faul sei.
Gefordert wurde freilich auch von der Opposition jede Menge. So wollten etwa FPÖ und NEOS in einem gemeinsamen Antrag die "kalte Progression" abschaffen. Die Grünen wiederum warben unter anderem für eine Zweckbindung der Wohnbauförderung.
Wenig Harmonie im Ministerrat
Regierungssitzungen haben wahrscheinlich auch schon einmal mehr Spaß gemacht: Tatsächlich beschlossen wurde am Mittwoch beim möglicherweise letzten Ministerrat vor der Wahl wenig, stattdessen warfen sich SPÖ und ÖVP danach wie schon davor gegenseitig Wahlkampf-Aktionismus vor.
Es war eine relativ unspektakuläre Sitzung", erklärte Vizekanzler Wolfgang Brandstetter (ÖVP) nach der recht kurzen Zusammenkunft vor Journalisten. Durchgebracht hat man etwa zumindest die Verlängerung der Bundesmittel für den Ausbau der Kinderbetreuung oder das Verhandlungsmandat für das Doppelbesteuerungsabkommen mit Irland.
Ansonsten sei die Beschlussfassung bei weitem nicht so umfangreich gewesen wie erwartet, bedauerte Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) - bei einem eigenen Auftritt vor den Medien. So habe die SPÖ ein Bekenntnis zu einem Nein zum umstrittenen Pestizid Glyphosat auf EU-Ebene sowie die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten auf die Tagesordnung reklamiert, es habe aber keine Beschlüsse gegeben, kritisierte Drozda.
Ministerrat von Wahlkampf überschattet
Gerade was die Beseitigung der Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten betrifft, zeigte sich Drozda "besonders verwundert", stehe dies doch im Wahlprogramm von ÖVP-Chef Sebastian Kurz. Er habe wie schon in den vergangenen 15 Monaten den Eindruck, dass die Regierungsarbeit seitens der ÖVP "sabotiert und boykottiert" werde, meinte Drozda. Die Volkspartei sei offensichtlich mehr mit Dirty Campaigning, Personal- und Machtfragen beschäftigt, verwies Drozda süffisant auf Medienberichte zu einem angeblichen älteren "Strategiepapier" von Kurz zur Machtübernahme der ÖVP.
Infrastrukturminister Jörg Leichtfried (SPÖ) zeigte sich verärgert darüber, dass die Strategie für den neuen Mobilfunkstandard 5G nicht beschlossen werden konnte, weil die ÖVP hier blockiere. Damit schade die Partei dem Standort Österreich und gefährde neue Arbeitsplätze, so Leichtfried: "Wir wollen, dass Österreich Vorreiter wird." Das Ressort verwies darauf, dass man im Gegensatz zu anderen Ländern konkrete Ziele, Maßnahmen und Zeitpläne habe. Noch im September will Leichtfried eine Testregion auf die Beine stellen.
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Enttäuschte ÖVP
Die ÖVP wiederum zeigte sich enttäuscht, dass die SPÖ dem Sicherheitspaket mit mehr Überwachungsmöglichkeiten für die Polizei nicht zugestimmt hat. Jemand habe einmal gesagt, "Wahlkampf ist nicht unbedingt die Zeit der Logik", meinte Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP). Aus seiner Sicht sei es "bedauerlich, die Sicherheitsaspekte zu opfern". Auch Justizminister Brandstetter bedauerte die Ablehnung, meinte aber: "Es ist halt so."
Drozda wies die sinngemäße Aussage, wonach die SPÖ die Sicherheit für den Wahlkampf opfere, zurück - dieser Anwurf richte sich von selbst. Die ÖVP sei vielmehr nicht in der Lage gewesen, einen verfassungskonformen Vorschlag vorzulegen.
"Was passiert, wissen die Götter"
Jetzt würden sich die Themen ins Parlament verlagern, meinte Brandstetter, und: "Was im Parlament passiert, wissen die Götter." Er warnte jedoch vor Beschlüssen, die viel Geld kosten und die man im Nachhinein reparieren muss. Bei der von der SPÖ gewünschten Sammelklage etwa brauche es eine Begutachtung, lehnte er auch generell Schnellschüsse ab.
Auch Drozda verwies darauf, dass die Musik ab jetzt im Parlament spielt: Dort will die SPÖ nicht nur weiterhin die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten debattieren, sondern auch die gewünschte Mietrechtsreform. Dass es zu letzterer schon mediale Absagen von Schwarz und Blau gibt, hat Drozda "nicht nachhaltig beeindruckt". Man wolle trotzdem darüber reden, wie man die Mieten senken könne.