Keine Menschenmenge, sondern ein Holzstapel, nackte Wände und Dachbalken bilden die Kulisse. Hemdsärmelig geht Sebastian Kurz auf und ab: „Ich habe eine Jugend verbracht wie jeder andere auch. Ich wollte definitiv nie Berufspolitiker werden. Als ich mich dann bei der Jungen ÖVP in Meidling gemeldet habe, hat das nicht übermäßig gut funktioniert. Die haben mir eher das Gefühl gegeben, ich soll mich vielleicht in ein paar Jahren noch einmal melden." Welche Zukunftsträume er sonst hatte, verrät Kurz nicht, aber was er jetzt will, steht ohnehin außer Frage: Bundeskanzler werden. Dafür tourt er im türkisen Bus seit Wochen durchs Land.
Kindheit und Entschleunigung
Gestern noch in der Oststeiermark, heute in New York. Die UN-Generalversammlung reißt Sebastian Kurz mitten aus dem Nationalratswahlkampf. Für ihn als Außenminister und OSZE-Vorsitzender ist sie ein Pflichttermin. Die türkise Wahlkampagne hat aber vorgesorgt: Kaum ist Kurz über den Atlantik entschwunden, ist er im Internet präsenter denn je: Ein gut vierminütiger Porträtfilm begleitet ihn auf den Spuren seiner Kindheit. Hauptschauplatz ist der großmütterliche Bauernhof in Niederösterreich. Zu sehen gibt es viele Kindheitsfotos und dazwischen den in Erinnerungen schwelgenden Kurz.
Der Film arbeitet mit starken Bildern vom Land, die Heimeligkeit und Freiheit vermitteln. Auffallend ist auch das Tempo: sehr viel Zeitlupe, der Anschein von Ruhe - ein Kontrast zu den unzähligen Wahlkampfbildern in Social Media, auf denen man Kurz täglich von Ort zu Ort touren und beim Bad in der Menge sehen kann.
Der starke Familienmensch
Betont wird einerseits Stärke (Kurz auf dem Motorrad, Kurz auf dem Tennisplatz beim Ausholen zum Schlag), andererseits Familienverbundenheit (Kurz beim Radfahren mit seinem Vater und beim Essen mit der Familie). Über seine Eltern sagt kurz: "Sie haben mich sehr klar geprägt, was gewisse Grundwerte betrifft: Zusammenhalt in der Familie, aber auch, dass man sich anstrengen muss, dass jeder einen Beitrag leisten sollte.“
Was in diesem Werdegang-Video ausgespart wird, ist Kurz' Studienzeit. Dafür erinnert er sich an seine Zeit als Integrationsstaatssekretär. Sie habe ihn geprägt, weil er anfangs viel Gegenwind erhalten habe. Davon ist seit der türkisen Verwandlung der ÖVP in die "Neue Volkspartei" offiziell keine Spur mehr. Jetzt heißt es vielmehr, so auch im Film: "Es ist Zeit."
Sarah Helmanseder